Altersgrenzen in Betriebsvereinbarungen, nach denen das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des Kalendermonats endet, in dem der Arbeitnehmer die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, sind wirksam.
Der im Jahr 1942 geborene Kläger war seit 1980 bei der Beklagten beschäftigt. Nach der von beiden Parteien unterzeichneten „Einstellungsmitteilung“ war das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit geschlossen. Eine bei der Beklagten bestehende Gesamtbetriebsvereinbarung aus dem Jahr 1976 sah die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Erreichen des 65. Lebensjahres vor. Dieses vollendete der Kläger im August 2007. Mit seiner Klage hat er sich gegen die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gewandt.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers blieb erfolglos. Gesamtbetriebsrat und Arbeitgeber können in einer freiwilligen Gesamtbetriebsvereinbarung eine Altersgrenze für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen regeln. Dabei haben sie die Grundsätze von Recht und Billigkeit (§ 75 Abs. 1 BetrVG) zu beachten. Diese sind gewahrt, wenn die Altersgrenze an den Zeitpunkt anknüpft, zu dem der Arbeitnehmer die Regelaltersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen kann. Eine solche Regelung verstößt nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung. Die Vereinbarung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ist auch keine, die Altersgrenzenregelung der Gesamtbetriebsvereinbarung verdrängende einzelvertragliche Abmachung.
BAG, Urteil vom 5. März 2013 - 1 AZR 417/12
Kann der Betriebsrat Rechte der einzelnen Arbeitnehmer geltend machen?
Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber verlangen, dass die Betriebsvereinbarungen abredegemäß durchgeführt werden. Dieser Durchführungsanspruch kann in einem Beschlussverfahren durchgesetzt werden. Er erstreckt sich nicht nur auf die Wirksamkeit und die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, sondern auch auf deren Auslegung, jedoch nicht auf die Auslegung der gesetzlichen Vorschriften und Tarifverträge. Der Betriebsrat hat nicht das Recht, im eigenen Namen die den einzelnen Arbeitnehmern zustehenden Betriebsrentenansprüche geltend zu machen.
Im vorliegenden Fall hatten der Gesamtbetriebsrat und die Arbeitgeberin eine Betriebsvereinbarung über die Gewährung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung geschlossen. Sie enthielt keine Bestimmungen zur Berechnung der Betriebsrenten von Vorruheständlern. Der Gesamtbetriebsrat hat sich gegen die von der Arbeitgeberin vorgenommenen Kürzungen gewandt.
Das Arbeitsgericht hat den Anträgen des Gesamtbetriebsrats teilweise stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie für unzulässig gehalten. Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats hatte keinen Erfolg. Die aufgeworfenen Fragen waren nicht im Beschlussverfahren zu klären. Die Vorruheständler müssen selbst im Urteilsverfahren die ihnen zustehenden Betriebsrentenansprüche geltend machen. Wie ihre Betriebsrenten zu berechnen sind, ist dem Vorruhestandstarifvertrag und den Grundwertungen des Betriebsrentengesetzes zu entnehmen. Beides betrifft nicht die Auslegung der Betriebsvereinbarung.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 31. Oktober 2003 - 3 TaBV 18/03 -
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 18.01.2005 - 3 ABR 21/04
Zur Durchführung und Einhaltung von Betriebsvereinbarungen 29.04.2004
Der Arbeitgeber muss dafür sorgen, dass Betriebsvereinbarungen tatsächlich eingehalten werden. Auf Antrag des Betriebsrats und der IG Metall untersagte der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts daher einem Stuttgarter Automobilunternehmen, die Überschreitung des in einer Betriebsvereinbarung vorgesehenen täglichen Gleitzeitrahmens durch die Arbeitnehmer weiterhin zu dulden. Erfolglos berief sich der Arbeitgeber darauf, er habe die außerhalb des Arbeitszeitrahmens geleisteten Arbeitsstunden weder angeordnet noch bezahlt. Der Arbeitgeber muss die zur Einhaltung der Betriebsvereinbarung erforderlichen Maßnahmen treffen und tätig werden, um Überschreitungen des Gleitzeitrahmens zu verhindern.
Dagegen wurde ein weiterer Antrag abgewiesen. Mit diesem sollte der Arbeitgeber zur Anwendung einer Bestimmung in der Betriebsvereinbarung verpflichtet werden, nach der Guthaben auf den Arbeitszeitkonten einmal im Jahr auf 100 Stunden abzubauen sind, in diesem Umfang aber auf den nächsten Ausgleichszeitraum übertragen werden können. Eine derartige betriebliche Regelung ist im Anwendungsbereich der Tarifverträge für die Beschäftigten der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden unwirksam. Nach den zwingenden tariflichen Bestimmungen müssen Gleitzeitguthaben, welche die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 35 Stunden überschreiten, spätestens nach einem Jahr vollständig abgebaut sein. Soweit Betriebsvereinbarungen hiergegen verstoßen, können weder Betriebsrat noch Gewerkschaft Ansprüche aus ihnen herleiten.
Das Arbeitsgericht hatte die Anträge des Betriebsrats und der Gewerkschaft insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hatte ihnen weitgehend entsprochen.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Juli 2002 - 2 TaBV 2/01
Quelle: www.bundesarbeitsgericht.de
BAG, Beschluß vom 29.04.2004 - 1 ABR 30/02
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz BetrVG entsendet jeder Betriebsrat mit mehr als drei Mitgliedern zwei seiner Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat. Die Auswahl der zu entsendenden Mitglieder erfolgt durch Mehrheitsbeschluss des Betriebsrats gem. § 33 BetrVG und nicht durch Verhältniswahl. Denn § 47 Abs. 2 BetrVG schreibt kein besonderes Wahlverfahren vor. Dieses ist auch nicht aus Gründen des Minderheitenschutzes zwingend geboten. Demgegenüber sind die weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses seit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes ab dem 28. Juli 2001 gemäß § 51 Abs. 1 Satz 2 iVm § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG von den Mitgliedern des Gesamtbetriebsrats nach den Grundsätzen der Verhältniswahl zu wählen. Die Verweisung in § 51 Abs. 1 Satz 2 BetrVG auf die Grundsätze der Verhältniswahl nach § 27 Abs. 1 Satz 3 BetrVG ist auch kein Redaktionsversehen des Gesetzgebers. Hierfür bietet das Gesetzgebungsverfahren keine sicheren Anhaltspunkte. Diese beiden Rechtsfragen entschied der 7. Senat in zwei Verfahren mit Unternehmen der Bahn.
Der Betriebsrat eines DB Unternehmens wählte die in den Gesamtbetriebsrat zu entsendenden Mitglieder durch Mehrheitswahl. Der Gesamtbetriebsrat eines anderen DB Unternehmens wählte die weiteren Mitglieder seines Gesamtbetriebsausschusses ebenfalls durch Mehrheitswahl. Beide Wahlen wurden angriffen. Der Beschluss des Betriebsrats über die Entsendung von Mitgliedern in den Gesamtbetriebsrat war nicht unwirksam, da er zu Recht gem. § 33 BetrVG durch Mehrheitswahl zustande kam. Die Wahl der weiteren Mitglieder des Gesamtbetriebsausschusses aufgrund Mehrheitswahl musste für unwirksam erklärt werden.
Vorinstanzen: Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschlüsse vom 10. Juli 2003 - 9 TaBV 114/02 - und - 9 TaBV 162/02
Bundesarbeitsgericht, Beschlüsse vom 21.07.2004 - 7 ABR 58/03 und 7 ABR 62/03
Ein Betriebsratsmitglied, das an seinem Arbeitsplatz während seiner Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben erledigt, ist grundsätzlich verpflichtet, sich beim Arbeitgeber abzumelden und die voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit mitzuteilen. Zweck der Meldepflicht ist es, dem Arbeitgeber die Überbrückung des Arbeitsausfalls zu ermöglichen. Daher besteht keine vorherige Meldepflicht in Fällen, in denen eine vorübergehende Umorganisation der Arbeitseinteilung nicht ernsthaft in Betracht kommt. Maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Dazu gehören insbesondere die Art der Arbeitsaufgabe des Betriebsratsmitglieds und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunterbrechung. In Fällen, in denen sich das Betriebsratsmitglied nicht vorher abmeldet, ist es verpflichtet, dem Arbeitgeber auf dessen Verlangen nachträglich die Gesamtdauer der in einem bestimmten Zeitraum geleisteten Betriebsratstätigkeit mitzuteilen.
Der neunköpfige Betriebsrat eines Unternehmens für automobile Marktforschung mit ca. 220 Arbeitnehmern wollte gerichtlich festgestellt wissen, dass seine Mitglieder nicht verpflichtet sind, sich bei Ausführung von Betriebsratstätigkeit, die sie am Arbeitsplatz erbringen, zuvor beim Arbeitgeber abzumelden. Der Antrag hatte vor dem Siebten Senat - wie bereits in den Vorinstanzen - keinen Erfolg. Der uneingeschränkt gestellte Antrag erfasst auch Fallgestaltungen, in denen er unbegründet ist. Die umstrittene Pflicht lässt sich weder generell verneinen noch bejahen. Sie hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.
BAG, Beschluss vom 29. Juni 2011 - 7 ABR 135/09
Arbeitgeber und Betriebsrat können keine Vereinbarung treffen, durch die sich der Arbeitgeber verpflichtet, an den Betriebsrat im Falle der Verletzung von Mitbestimmungsrechten eine Vertragsstrafe zu bezahlen. Der Betriebsrat ist grundsätzlich nicht vermögensfähig. Eine Ausnahme besteht insbesondere insoweit, wie § 40 BetrVG Ansprüche auf Erstattung der durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten vorsieht. An den Betriebsrat zu zahlende Vertragsstrafen kennt das Gesetz nicht.
Daher blieb vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts ein Betriebsrat erfolglos, der vom Arbeitgeber aufgrund eines in einem früheren Verfahren geschlossenen Vergleichs die Zahlung einer Vertragsstrafe von 25.000 Euro verlangte. Bereits die Vorinstanzen hatten den Antrag des Betriebsrats abgewiesen.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. April 2003 - 4 TaBV 1353/02 -
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.09.2004 - 1 ABR 30/03
Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Betriebsverfassungsgesetz gelten Betriebsteile mit in der Regel fünf wahlberechtigten Arbeitnehmern, von denen drei wählbar sind, als selbständige betriebsratsfähige Betriebe, wenn sie durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig sind. Dazu ist insbesondere erforderlich, dass in dem Betriebsteil eine eigene Leitung besteht, die die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen in mitbestimmungsrelevanten Bereichen wahrnimmt. Diese Voraussetzungen können auch bei einem Sinfonieorchester erfüllt sein, das von einem Arbeitgeber neben anderen Orchestern und Chören betrieben wird. Das folgt aus einer Entscheidung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts.
Die antragstellende Arbeitgeberin betreibt zwei Chöre und zwei Orchester, darunter das Deutsche Sinfonieorchester (DSO). Jeder der vier Klangkörper verfügt über eine eigene Verwaltung und eine eigene Leitung. Im Jahr 1998 wählten alle Arbeitnehmer einen gemeinsamen Betriebsrat. Am 4. Dezember 2001 beschlossen die Arbeitnehmer des DSO, bei der Betriebsratswahl im Jahr 2002 einen eigenen Betriebsrat zu wählen und bestellten einen Wahlvorstand. Bei der Betriebsratswahl am 8. März 2002 wurde der aus sieben Mitgliedern bestehende Betriebsrat DSO gewählt. Am 15. März 2002 fand die Wahl eines gemeinsamen Betriebsrats für alle Arbeitnehmer der Arbeitgeberin statt. Mit dem vorliegenden Beschlussverfahren haben die Arbeitgeberin und der für alle Klangkörper gewählte Betriebsrat die Feststellungen begehrt, dass das DSO keine betriebsratsfähige Organisationseinheit darstellt und die Wahl des Betriebsrats DSO nichtig ist.
Die Anträge der Arbeitgeberin und des für alle Arbeitnehmer gewählten Betriebsrats hatten keinen Erfolg. Das DSO ist ein betriebsratsfähiger Betriebsteil, da es einen eigenständigen künstlerischen Aufgabenbereich hat und nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts durch den Orchestervorstand und den Orchesterdirektor die wesentlichen mitbestimmungsrelevanten Entscheidungen getroffen werden. Deshalb konnte für das DSO ein eigener Betriebsrat gewählt werden. Die Wahl des Betriebsrats DSO ist nicht nichtig.
Vorinstanz: Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 30. Oktober 2003 - 16 TaBV 677/03 und 699/03
BAG, Beschluss vom 21.07.2004 - 7 ABR 57/03
Wann liegt eine konkrete Beeinträchtigung der Betriebsratsarbeit vor?
Mitglieder des Betriebsrats können wegen grober Pflichtverletzung aus dem Betriebsrat ausgeschlossen werden gem. § 23 Absatz 1 Satz 1 BetrVG. Ein pflichtwidriges Verhalten rechtfertigt jedoch nur dann einen Ausschluss, wenn die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats konkret unmöglich oder ernstlich gefährdet wurde.
Die Parteien stritten vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm über die Rechtmäßigkeit eines Ausschlusses aus dem Betriebsrat. Der antragstellende Betriebsrat hatte das bis zum Jahr 2000 als Betriebsratsvorsitzender tätige Betriebsratsmitglied ausgeschlossen. Bei Übergabe im Mai 2001 überreichte der neue Betriebsratsvorsitzende sämtliche Unterlagen dem später ausgeschlossenen Betriebsratsmitglied damit dieses private Dokumente entnehmen konnte. Das Betriebsratsmitglied verweigerte zunächst die Rückgabe sämtlicher Dokumente mit der Begründung, dass es sich ausschließlich um Privatkorrespondenz handele. In der Folgezeit übergab er zwei Ordner und verweigerte eine weitere Herausgabe.
Im Frühjahr 2003 kam im Betriebsrat die Frage auf, ob in der Vergangenheit bereits eine bestimmte Betriebsvereinbarung abgeschlossen wurde. Da die Dokumente bei dem Betriebsratsmitglied vermutet wurden und nicht zur Verfügung standen, stellte die Geschäftsführung die Betriebsvereinbarung zur Verfügung. Erst im April 2003 erhielt der Betriebsrat die fehlenden Betriebsratsunterlagen zurück. Der Betriebsrat warf dem ehemaligen Betriebsratsvorsitzenden eine grobe Pflichtverletzung vor und stellte vor dem Arbeitsgericht Antrag diesen vom Betriebsrat als Mitglied auszuschließen. Hiergegen richtete der ehemalige Betriebsratsvorsitzende seine Beschwerde.
Das LAG entschied zu Gunsten des Betriebsratsmitgliedes und erklärte den Ausschluss für rechtswidrig. Ein Ausschluss setzt gem. § 23 Absatz 1 Satz 1 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) eine grobe Verletzung der gesetzlich geregelten Pflichten voraus. Ein einfaches Fehlverhalten des Betriebsratsmitglieds ist nicht ausreichend. Insbesondere muss durch das Fehlverhalten die Funktionsfähigkeit des Betriebsrates unmöglich oder ernstlich gefährdet sein, d.h. die Pflichtverletzung muss sich konkret und nachweisbar auf die Tätigkeit des Betriebsrats ausgewirkt haben.
Die verspätete Rückgabe der Dokumente stellte zwar eine Pflichtverletzung dar. Diese Pflichtverletzung erfüllt aber nicht die Voraussetzungen von § 23 Absatz 1 Satz 1 BetrVG, weil die Tätigkeit des Betriebsrats nicht unmöglich oder gefährdet war. Die fehlende Betriebsvereinbarung hatte der Betriebsrat von der Geschäftsführung erhalten. Das der Beschwerdeführer wahrheitswidrig bestritten hatte, noch im Besitz von Betriebsratsunterlagen zu sein, hatte keine negativen Auswirkungen.
LAG Hamm, Beschluss vom 19.03.2004 - 13 TaBV 146/03
In einem Betriebsteil kann ein eigener Betriebsrat gewählt werden, wenn der Betriebsteil selbständig i.S.v. § 4 Abs.1 S.1 BetrVG ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn der Teilbetrieb vom Hauptbetrieb räumlich weit entfernt oder durch Aufgabenbereich und Organisation eigenständig ist. Eine organisatorische Eigenständigkeit scheidet aus, wenn für die überwiegende Mehrzahl der sozialen Angelegenheiten i.S.v. § 87 BetrVG die Leitung des Hauptbetriebs zuständig ist.
Quelle: BAG online
BAG, Beschluss vom 14.01.2004 - 7 ABR 26/03
Bei Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs besteht der Betriebsrat fort
Fall:
Der klagende Arbeitnehmer ist bei der I. KG beschäftigt. Im Jahre 1999 wurde für den Textilien produzierenden Betrieb der I. KG und der H. OHG ein gemeinsamer Betriebsrat gewählt. Die H. OHG stellte ihre betriebliche Tätigkeit am 30. Juni 2001 wieder ein. Am 1. Januar 2002 wurde über das Vermögen der I. KG das Insolvenzverfahren eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers am 25. Januar 2002 wegen beabsichtigter Betriebsstillegung zum 30. April 2002. Im Zeitpunkt der Kündigung war nur noch eines von ursprünglich sieben Betriebsratsmitgliedern im Betrieb beschäftigt. Der Betriebsrat wurde vor Ausspruch der Kündigung nicht angehört.
Entscheidung:
Die Kündigungsschutzklage hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts - wie bereits in den Vorinstanzen - Erfolg. Die Kündigung ist nach § 102 BetrVG unwirksam, weil sie ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats ausgesprochen wurde. Das im Zeitpunkt der Kündigung noch im Amt befindliche Betriebsratsmitglied hätte vor der Kündigung angehört werden müssen.
Anmerkung:
Das Ausscheiden eines Unternehmens aus einem Gemeinschaftsbetrieb führt nicht zur Auflösung des für den Gemeinschaftsbetrieb gewählten Betriebsrats, wenn das andere Unternehmen seine betriebliche Tätigkeit fortsetzt und die Identität des Betriebes gewahrt bleibt. In diesem Fall besteht das Mandat des Betriebsrats für die Belegschaft des verbleibenden Unternehmens fort. Hat die Beendigung des Gemeinschaftsbetriebs zur Folge, dass die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder einschließlich der Ersatzmitglieder unter die nach § 9 BetrVG vorgeschriebene Anzahl von Betriebsratsmitgliedern sinkt, ist nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG ein neuer Betriebsrat zu wählen. Geschieht dies nicht, führt der bisherige Betriebsrat die Geschäfte bis zum Ablauf der regelmäßigen Amtszeit weiter. Er ist daher vor der Kündigung eines Arbeitnehmers nach § 102 BetrVG anzuhören. Das gilt auch, wenn nur noch eines von ursprünglich sieben Betriebsratsmitgliedern im Amt ist.
BAG, Urteil vom 19.11.2003 - 7 AZR 11/03
Der Arbeitgeber muss im erforderlichen Umfang die Kosten erstatten, die einem alleinerziehenden Betriebsratsmitglied während einer mehrtägigen auswärtigen Betriebsratstätigkeit durch die Fremdbetreuung seiner minderjährigen Kinder entstehen.
Nach § 40 Abs. 1 BetrVG trägt der Arbeitgeber die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Dazu gehören auch die Aufwendungen, die einzelne Betriebsratsmitglieder zur Erfüllung ihrer Betriebsratsaufgaben für erforderlich halten dürfen, nicht aber sämtliche Kosten, die nur irgendwie durch die Betriebsratstätigkeit veranlasst sind. Grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind insbesondere Aufwendungen, die der persönlichen Lebensführung zuzuordnen sind. Vom Arbeitgeber zu tragen sind aber Kosten, die einem Betriebsratsmitglied dadurch entstehen, dass es die Betreuung seiner minderjährigen Kinder für Zeiten sicherstellen muss, in denen es außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit Betriebsratsaufgaben wahrzunehmen hat. Das ergibt die verfassungskonforme Auslegung des § 40 Abs. 1 BetrVG. Das Betriebsratsmitglied befindet sich in einem solchen Fall in einer Pflichtenkollision zwischen seinen betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben und der Pflicht zur elterlichen Personensorge. Nach Art. 6 Abs. 2 GG sind Pflege und Erziehung der Kinder nicht nur "das natürliche Recht der Eltern", sondern auch "die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht". Dementsprechend darf dem Betriebsratsmitglied durch die gleichzeitige Erfüllung beider Pflichten kein Vermögensopfer entstehen.
Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat daher - anders als zuvor das Landesarbeitsgericht - dem Antrag einer alleinerziehenden Mutter entsprochen, die von ihrem Arbeitgeber die Erstattung der Kosten verlangte, die ihr dadurch entstanden waren, dass sie als Betriebsratsmitglied zur Teilnahme an zwei Sitzungen des Gesamtbetriebsrats und an einer Betriebsräteversammlung insgesamt zehn Tage ortsabwesend war und während dieser Zeit für die Betreuung ihrer 11 und 12 Jahre alten Kinder fremde Hilfe in Anspruch nehmen musste. Dem Anspruch stand nicht entgegen, dass in dem Haushalt des Betriebsratsmitglieds noch eine volljährige berufstätige Tochter lebte, welche die Betreuung ihrer jüngeren Geschwister abgelehnt hatte. Die Antragstellerin durfte die entstandenen Betreuungskosten von insgesamt 600,-- Euro auch der Höhe nach für erforderlich halten.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Nürnberg, Beschluss vom 27. November 2008 - 5 TaBV 79/07
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23. Juni 2010 - 7 ABR 103/08
Der Arbeitgeber ist unter den Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten zu tragen. Hierzu gehört auch die Vergütung des von diesem beauftragten Rechtsanwalts. Der Anspruch könnte nicht bestehen, wenn ein Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung des Mandats gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen gem. § 43a Abs. 4 BRAO verstößt. Das ist regelmäßig dann nicht der Fall, wenn der Rechtsanwalt im gerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG gleichzeitig den Betriebsrat und das zu kündigende Betriebsratsmitglied vertritt. Das gilt jedenfalls solange, wie der Betriebsrat ebenso wie das betroffene Betriebsratsmitglied die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung zur Kündigung des Betriebsratsmitglieds verhindern will.
Deshalb hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts einen Arbeitgeber verpflichtet, einem Rechtsanwalt die Vergütung zu zahlen, der in einem Beschlussverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG den Betriebsrat und das zu kündigende Betriebsratsmitglied vertreten hat. Das Beschlussverfahren wurde noch vor der streitigen Entscheidung durch Rücknahme des Ersetzungsantrags beendet.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 10 TaBV 94/03
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 25.08.2004 - 7 ABR 60/03
Fällt die Zuweisung von Arbeitsmitteln unter das BetrVG?
Der Betriebsrat hat nicht darüber mitzubestimmen, nach welchen Kriterien der Arbeitgeber erfolgreichen Außendienstmitarbeitern, die leistungsabhängig vergütet werden, ein eigenes besonders ausgestattetes Büro zu ausschließlich dienstlichen Zwecken zur Verfügung stellt. Die Zuweisung bestimmter Arbeitsmittel ist keine mitbestimmungspflichtige Lohngestaltung und Entgeltfestsetzung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 10, Nr. 11 BetrVG. Dies gilt selbst dann, wenn mit diesen Mitteln größere Arbeitserfolge erzielt werden. Die Zuweisungskriterien sind auch keine mitbestimmungspflichtigen Auswahlrichtlinien iSv. § 95 Abs. 1 BetrVG.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts wies deshalb - wie schon die Vorinstanzen - den Antrag des Gesamtbetriebsrats eines Versicherungsunternehmens ab, mit dem dieser das Bestehen eines entsprechenden Mitbestimmungsrechts festgestellt wissen wollte. Die Arbeitgeberin macht die Zuweisung eines technisch komplett eingerichteten, etwa 100 qm großen Büros und die Zuordnung eines eigenen Innendienstmitarbeiters an ihre Bezirksdirektoren davon abhängig, dass diese eine bestimmte Anzahl von sog. Nettowerteinheiten erwirtschaften.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 8. Januar 2004 - 1 TaBV 5/03
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 31.05.2005 - 1 ABR 22/04
Der Kläger ist in einem Produktionsbetrieb beschäftigt. Nach seinem schriftlichen Arbeitsvertrag hatte er entsprechend den jeweiligen Betriebserfordernissen im Ein- oder Zwei- oder Dreischichtsystem zu arbeiten. Seit zehn Jahren ist er in der Dauernachtschicht eingesetzt. Anfang 2002 wurde durch Einigungsstellenspruch bei der Beklagten beschlossen, dass bei einem Wechsel der Schichtsysteme der Arbeitnehmer zur Tätigkeit in einem geänderten Schichtsystem nur unter Einhaltung einer Ankündigungsfrist von vier Kalendertagen verpflichtet sei. Von der Änderung des Schichtsystems ist nach diesem Spruch dem Betriebsrat mit einem Vorlauf von vier Kalendertagen Kenntnis zu geben. Daraufhin wies die Beklagte den Kläger sowie weitere in der Dauernachtschicht beschäftigte Arbeitnehmer an, fortan im Dreischichtsystem zu arbeiten. Der Kläger hält die Weisung für unwirksam, weil der Abteilungsleiter ihm zugesagt habe, er könne dauerhaft in der Dauernachtschicht arbeiten.
Die Zuweisung einer Tätigkeit im Dreischichtsystem war unwirksam. Zwar hat sich die arbeitsvertragliche Leistungspflicht nicht auf die Arbeit in der Nachtschicht konkretisiert. Einen derartigen Willen konnte der Kläger den von ihm behaupteten Äußerungen des Betriebsleiters nicht entnehmen. Die Beklagte hat jedoch vor Zuweisung der Wechselschichtarbeit den Betriebsrat nicht ordnungsgemäß nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG beteiligt. Nach dieser Bestimmung hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Durch den Einigungsstellenspruch wurde dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht Genüge getan. Der Einigungsstellenspruch sieht lediglich die Wahrung einer Ankündigungsfrist vor dem Wechsel der Schichtsysteme vor. Er regelt jedoch nicht ansatzweise, für welche Arbeitnehmer ab welchem Zeitpunkt welches Schichtsystem gelten soll. Hierzu wurde die Zustimmung des Betriebsrats nicht eingeholt. Die fehlende Zustimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG führt zur Unwirksamkeit der erfolgten Zuweisung der Arbeit im Dreischichtsystem. Ob die Weisung billigem Ermessen iSv. § 315 BGB entsprach, was vom Landesarbeitsgericht verneint worden war, bedurfte keiner Entscheidung.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 26. Mai 2003 - 16 Sa 1455/02 -
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29.09.2004 - 5 AZR 559/03
Verdachtsunabhängige Überwachung erfordert Einzelfallabwägung
Der Spruch einer Einigungsstelle zur Einführung einer Videoüberwachung in einem Berliner Briefverteilzentrum der Deutschen Post AG ist unwirksam. Dies hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts entschieden. In dem Briefzentrum sind in einer großen Halle in mehreren Schichten insgesamt etwa 650 Arbeitnehmer beschäftigt. Täglich werden ca. 2,5 - 3 Mio Briefsendungen umgeschlagen. Die Briefe werden weit überwiegend automatisch, zu einem kleinen Teil von Hand sortiert. Wie auch im Bereich anderer Zentren kommt es bei den über das Berliner Briefzentrum laufenden Sendungen zu Verlusten. Dabei ist nicht näher festgestellt, ob und in welchem Umfang diese im Briefzentrum selbst, auf dem Weg dorthin oder auf dem weiteren Weg zum Empfänger eintreten. Zur Reduzierung der Verluste plante die Arbeitgeberin die Einführung einer Videoüberwachung. Da der Betriebsrat seine Zustimmung verweigerte, rief sie die Einigungsstelle an. Deren Spruch sieht die dauerhafte Einrichtung einer Videoüberwachung durch in der Halle sichtbar angebrachte Kameras vor. Die Videoanlage soll verdachtsunabhängig wöchentlich bis zu 50 Stunden eingesetzt werden können. Für die Arbeitnehmer ist nicht erkennbar, wann die Anlage in Betrieb ist. Die Aufzeichnungen müssen in der Regel spätestens nach acht Wochen gelöscht werden.
Der Betriebsrat hat den Einigungsstellenspruch gerichtlich angegriffen. Während die Vorinstanzen seinen Antrag abgewiesen haben, hatte er beim Bundesarbeitsgericht Erfolg. Einerseits hat die Arbeitgeberin die Pflicht, für die Sicherheit des Briefverkehrs und des grundrechtlich geschützten Postgeheimnisses zu sorgen. Andererseits wird durch die Videoüberwachung erheblich in das ebenfalls grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer eingegriffen. Keiner dieser beiden Rechtspositionen gebührt absoluter Vorrang. Vielmehr ist eine auf die Umstände des jeweiligen Falles bezogene Abwägung erforderlich. Danach ist die dauerhafte, verdachtsunabhängige Videoüberwachung der Belegschaft des Berliner Briefzentrums unter den vorliegenden Umständen unverhältnismäßig.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 5. März 2003 - 10 TaBV 2089/02
BAG, Beschluss vom 29.06.2004 - 1 ABR 21/03
Ist beratende Beteiligung des BR genug?
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG hat der Betriebsrat im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften mitzubestimmen bei Regelungen über den Gesundheitsschutz. Dies umfasst auch die vom Arbeitgeber vorzunehmende Beurteilung der Gefährdung am Arbeitsplatz und die Unterweisung der Arbeitnehmer über Sicherheit und Gesundheitsschutz. Eine Betriebsvereinbarung hierüber kann die Aufstellung des Konzepts nicht dem Arbeitgeber überlassen und die Beteiligung des Betriebsrats auf ein Beratungsrecht beschränken. Vielmehr muss die Betriebsvereinbarung selbst den Gegenstand regeln.
Diesen Anforderungen wurde der Spruch einer Einigungsstelle, die im Betrieb eines deutschen Luftfahrtunternehmens gebildet worden war, nicht gerecht. Der Spruch enthielt überwiegend nur allgemeine Vorgaben an die Arbeitgeberin zu den Themen der Unterweisung und den möglichen Gegenständen und Methoden der Gefährdungsbeurteilung. Die Anwendung auf die einzelnen, unterschiedlichen Arbeitsplätze im Betrieb blieb der Arbeitgeberin überlassen. Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat daher auf Antrag der Arbeitgeberin - wie schon das Landesarbeitsgericht - die Unwirksamkeit des Spruchs der Einigungsstelle festgestellt.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 12. August 2002 - 7 TaBV 14/00
BAG, Beschluss vom 08.06.2004 - 1 ABR 4/03
Eine Regelung, die es Arbeitnehmern verbietet, eigenes Bargeld mit an den Arbeitsplatz zu nehmen, um Kassenmanipulationen zu erschweren, unterliegt dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats. Das Verbot betrifft Fragen der Ordnung des Betriebs i.S.v. § 87 Abs.1 Nr.1 BetrVG.
Hessisches LAG, Beschluß vom 15.01.2004 - 5 TaBV 49/03
Arbeitszeitüberwachung und Arbeitnehmerdatenschutz
Die Arbeitgeberin erfasst die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer elektronisch. Der Betriebsrat hat Zugriff auf das Zeiterfassungssystem. Nachdem es bei einzelnen Arbeitnehmern zu Überschreitungen der zulässigen Höchstarbeitszeit gekommen war, wandte sich der Betriebsrat an das Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik. Dieses stimmte mit der Arbeitgeberin Maßnahmen zur künftigen Vermeidung von Verstößen ab. In der Folgezeit schaltete der Betriebsrat das Amt erneut ein und übermittelte ihm Ausdrucke aus der elektronischen Zeiterfassung. Diese enthielten Namen und tatsächlich geleistete Arbeitszeiten der einzelnen Arbeitnehmer. Die Arbeitgeberin sah die Weitergabe als unzulässig an.
Der Betriebsrat hat daraufhin beantragt festzustellen, dass er berechtigt ist, dem Amt unter Namensnennung Auskunft über die von den einzelnen Arbeitnehmern geleisteten Arbeitszeiten zu geben. Die Arbeitgeberin will demgegenüber festgestellt wissen, dass der Betriebsrat ohne Einwilligung der betroffenen Arbeitnehmer der Aufsichtsbehörde keine personenbezogenen Daten aus dem elektronischen Zeiterfassungssystem übermitteln darf. Die Vorinstanzen haben beide Anträge abgewiesen.
Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten blieben vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Die Berechtigung des Betriebsrats, dem Amt für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik die tatsächlichen Arbeitszeiten namentlich benannter Arbeitnehmer mitzuteilen, läßt sich weder - wie der Betriebsrat meint - generell bejahen noch - wie die Arbeitgeberin meint - generell verneinen. Zwar ist der Betriebsrat nach § 89 Abs. 1 Satz 2 BetrVG berechtigt und verpflichtet, die für den Arbeitsschutz zuständigen Behörden durch Anregung, Beratung und Auskunft zu unterstützen. Hieraus folgt jedoch nicht in jedem Fall seine Befugnis zur Weitergabe der ihm zugänglichen Arbeitnehmerdaten. Aus Gründen des Datenschutzes kommt es vielmehr darauf an, ob die Übermittlung zur Wahrung der berechtigten Interessen des Betriebsrats oder der Aufsichtsbehörde erforderlich ist. Dabei sind auch die schutzwürdigen Interessen der betroffenen Arbeitnehmer zu beachten. Die hierzu erforderliche Prüfung kann nur unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls erfolgen. Sie kann auch ergeben, dass eine Datenübermittlung ohne Einwilligung der Arbeitnehmer zulässig ist. Zur Frage, ob sich der Betriebsrat vor Einschaltung des Amtes wegen seiner betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtung zur vertrauensvollen Zusammenarbeit an den Arbeitgeber gewandt haben muss, brauchte der Senat nicht abschließend Stellung zu nehmen.
Vorinstanz: Hessisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 28. März 2002 - 5 TaBV 91/01
Quelle: www.bundesarbeitsgericht.de
BAG, Beschluß vom 03.06.2003 - 1 ABR 19/02
Entsendung von Arbeitnehmern in Kundenbetrieb macht keinen Unterschied
Der Betriebsrat hat mitzubestimmen, wenn ein Arbeitgeber seine Arbeitnehmer anweist, sich in einem Kundenbetrieb der dort eingerichteten biometrischen Zugangskontrolle zu unterziehen. Die Anweisung betrifft das betriebliche Verhalten der entsandten Kundendienstmitarbeiter und ist daher nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Außerdem handelt es sich um die nach § 87 Abs.1 Nr. 6 BetrVG mitbestimmungspflichtige Anwendung einer technischen Überwachungseinrichtung. Dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats steht nicht entgegen, dass das Zugangskontrollsystem im Kundenbetrieb eingerichtet ist. Zwar hat der Arbeitgeber auf die dortigen Verhältnisse keinen unmittelbaren Einfluss. Er gibt aber den entsandten Arbeitnehmern die mitbestimmungspflichtigen Anweisungen. Daher ist zwischen ihm und dem Betriebsrat zu vereinbaren, ob und in welcher Weise die Arbeitnehmer der Zugangskontrolle in einem fremden Betrieb unterworfen werden. Der Arbeitgeber muss bei der Vertragsgestaltung mit dem Kunden dafür sorgen, dass die mit dem Betriebsrat getroffenen Vereinbarungen umgesetzt werden. Individualrechtliche Rechtspositionen der betroffenen Arbeitnehmer bleiben hiervon unberührt.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts gab deshalb dem Antrag eines Betriebsrats statt, wonach der Arbeitgeber ohne Zustimmung des Betriebsrats oder einen entsprechenden Spruch der Einigungsstelle Arbeitnehmer bei einer Kundenfirma nicht einsetzen darf, soweit von ihnen verlangt wird, Fingerabdrücke in einem Fingerprint-Scanner zu hinterlegen, der im Kundenbetrieb in einer "Personenvereinzelungsanlage" (Zugangsschleuse) eingerichtet ist. Bereits das Arbeitsgericht hatte dem Antrag des Betriebsrats entsprochen; das Landesarbeitsgericht hatte ihn dagegen abgewiesen.
Vorinstanz: Hessisches LAG, Beschluss vom 24. Oktober 2002 - 5 TaBV 83/02 -
Quelle: BAG-Pressemitteilung
BAG, Beschluß vom 27.01.2004 - 1 ABR 7/03
Vorsicht bei Verringerung der Belegschaftsstärke
Nach § 106 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist in allen Unternehmen mit in der Regel mehr als 100 ständig beschäftigten Arbeitnehmern ein Wirtschaftsausschuss zu bilden. Das Gesetz enthält keine Regelung darüber, ob der Wirtschaftsausschuss fortbesteht, wenn seine Errichtungsvoraussetzungen später wegfallen. In § 107 Abs. 2 Satz 2 BetrVG ist lediglich geregelt, dass die Mitglieder des Wirtschaftsausschusses vom Betriebsrat für die Dauer seiner Amtszeit bestimmt werden. Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat entschieden, dass das Amt des Wirtschaftsausschusses endet, wenn die Belegschaftsstärke nicht nur vorübergehend auf weniger als 101 Arbeitnehmer absinkt. Der Wirtschaftsausschuss besteht in diesem Fall nicht bis zur Beendigung der Amtszeit des Betriebsrats fort.
Die Arbeitgeberin beschäftigte in ihrem Unternehmen früher mehr als 100 Arbeitnehmer. Im Mai 2002 wurde ein Wirtschaftsausschuss bestellt. Nach einem Personalabbau im Sommer 2002 arbeiten in dem Unternehmen dauerhaft nur noch 82 Arbeitnehmer. Seitdem informiert die Arbeitgeberin den Wirtschaftsausschuss nicht mehr über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens, weil sie meint, das Amt des Wirtschaftsausschusses habe wegen der Verringerung der Belegschaft geendet. Der Betriebsrat hat daraufhin beantragt, den Fortbestand des Wirtschaftsausschusses bis zum Ende der Amtszeit des Betriebsrats festzustellen. Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat den Antrag zurückgewiesen. Wegen der nicht nur vorübergehenden Verringerung der Belegschaft auf 82 Arbeitnehmer sind die Errichtungsvoraussetzungen für den Wirtschaftsausschuss in dem Unternehmen der Arbeitgeberin entfallen. Das hat die Beendigung der Amtszeit des Wirtschaftsausschusses zur Folge.
Vorinstanz: Arbeitsgericht Bonn, Beschluss vom 5. Mai 2003 - 1 BV 65/03
Quelle: www.bundesarbeitsgericht.de
BAG, Beschluß vom 07.04.2004 - 7 ABR 41/03
Die Regelungen in § 15 Abs. 2 BetrVG und § 15 Abs. 5 Nr. 2 WO sind nicht verfassungswidrig. Die in § 15 Abs. 2 BetrVG getroffene Anordnung, dass das im Betrieb vertretene Minderheitsgeschlecht entsprechend seinem zahlenmäßigen Verhältnis im Betriebsrat vertreten sein muss, und der in § 15 Abs. 5 Nr. 2 WO vorgesehene Listensprung verstoßen weder gegen den nach Art. 3 Abs. 1 GG bestehenden Grundsatz der Gleichheit der Wahl, noch wird dadurch in unzulässiger Weise in die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie eingegriffen. Das hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts in einem Wahlanfechtungsverfahren entschieden.
Bei der angefochtenen Betriebsratswahl in einem Nachfolgeunternehmen der Deutschen Post entfielen auf Frauen als Geschlecht in der Minderheit drei von neun Betriebsratssitzen. Um diese Sitze konkurrierte die Vorschlagsliste der Gewerkschaft ver.di mit der Vorschlagsliste der Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM). Bei Anwendung des d’Hondt’schen Höchstzahlverfahrens entfielen auf die Liste ver.di sieben Betriebsratssitze, auf die Liste DPVKOM zwei Sitze. Da auf der Liste DPVKOM keine Frauen kandidiert hatten, wurde einer der beiden auf die DPVKOM-Liste entfallenden Sitze der Liste ver.di zugeschlagen, so dass eine weitere Frau Betriebsratsmitglied wurde. Dagegen wandte sich die DPVKOM und verlangte die Berichtigung des Wahlergebnisses. Das Arbeitsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihnen im Wesentlichen entsprochen. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats und eines Betriebsratsmitglieds hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Ein Anspruch der DPVKOM auf Berichtigung des Wahlergebnisses besteht nicht, da dieses unter Zugrundelegung der wirksamen Regelungen in § 15 Abs. 2 BetrVG, § 15 Abs. 5 Nr. 2 WO zutreffend ermittelt wurde.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 31. März 2004 - 3 TaBV 12/03
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.03.2005 - 7 ABR 40/04
Nach § 2 Abs.5 WO muss der Wahlvorstand ausländische Arbeitnehmer, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, vor Durchführung der Betriebsratswahl in geeigneter Weise über die Einzelheiten der Wahl informieren. Hierbei handelt es sich um eine wesentliche Vorschrift über das Wahlverfahren im Sinn von § 19 Abs.1 BetrVG. Daher kann die Betriebsratswahl angefochten werden, wenn die Information der ausländischen Mitarbeiter unzureichend ist.
zur Entscheidung im Volltext
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.10.2004 - 7 ABR 5/04
Ordentlich gekündigte Arbeitnehmer, die nach Ablauf der Kündigungsfrist nicht weiterbeschäftigt werden, sind nicht nach § 7 Satz 1 BetrVG bei der Betriebsratswahl wahlberechtigt, obwohl der Ausgang ihres Kündigungsschutzprozesses noch offen ist. Denn es fehlt an ihrer tatsächlichen Eingliederung in die betriebliche Organisation des Arbeitgebers. Sie bleiben dennoch nach § 8 Abs. 1 Satz 1 BetrVG für den Betriebsrat wählbar. Das hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts zu einer Betriebsratswahl vom April 2003 entschieden.
In dem Betrieb der antragstellenden Arbeitgeberin wurden auch Arbeitnehmer als Mitglieder und Ersatzmitglieder gewählt, deren Arbeitsverhältnisse die Arbeitgeberin vor der Wahl ordentlich gekündigt hatte. Mit dem vorliegenden Beschlussverfahren hat die Arbeitgeberin deshalb die Wahl angefochten. Die Vorinstanzen haben ihren Antrag zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Betriebsratswahl ist wirksam. Bei der Wahl wurde nicht gegen wesentliche Vorschriften über die Wählbarkeit verstoßen (§ 19 Abs. 1 BetrVG). Die gekündigten Arbeitnehmer waren wählbar, obwohl sie nicht weiterbeschäftigt worden waren.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 18. November 2003 - 3 TaBV 8/03
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10.11.2004 - 7 ABR 12/04
Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gelten als Arbeitnehmer i.S.d. Betriebsverfassungsgesetzes
Das Wahlrecht zum Betriebsrat haben nur Arbeitnehmer des Betriebs. Die Größe des zu wählenden Betriebsrats richtet sich nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer. Die Arbeitnehmereigenschaft setzt neben einer arbeitsvertraglichen Beziehung zum Betriebsinhaber die Eingliederung in dessen Betriebsorganisation zur Erfüllung der arbeitstechnischen Zwecke des Betriebes voraus. Diese Voraussetzungen erfüllen auch Teilnehmer an Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen. Sie schließen mit dem Träger der Maßnahme Arbeitsverträge und werden im Rahmen des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebes eingesetzt. Arbeitstechnischer Zweck ist die Erledigung der aus den einzelnen Projekten folgenden Aufgaben. In Folge dessen ist es nicht von Bedeutung, dass die Beschäftigung der Mitarbeiter in einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme daneben auch ihrer Qualifizierung und Eingliederung in den Arbeitsmarkt dient. Das hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts für den Betrieb eines Unternehmens der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit entschieden.
Der Arbeitgeber konnte die in der Zeit vom 23. Mai bis 28. Mai 2002 durchgeführte Betriebsratswahl nicht deswegen erfolgreich anfechten, weil der Wahlvorstand 283 ABM-Kräfte an der Wahl teilnehmen ließ und sie bei der Ermittlung der Anzahl der zu wählenden Betriebsratsmitglieder berücksichtigte. Es durfte unter Einbeziehung der 262 Stammbeschäftigten ein elfköpfiger Betriebsrat gewählt werden.
Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers hatte dennoch teilweise Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hat den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht aus anderen Gründen zurückverwiesen. Dieses hat noch aufzuklären, ob die beim Arbeitgeber beschäftigten 39 Honorarkräfte an der Wahl teilnehmen durften. Das hängt davon ab, ob sie freie Mitarbeiter oder Arbeitnehmer waren.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin, Beschluss vom 8. Oktober 2003 - 9 TaBV 541/03
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 13.10.2004 - 7 ABR 6/04
Auch sehr geringe Wahlbeteiligung bleibt unbeachtlich
Nachdem die Gewerkschaft in einem betriebsratslosen Betrieb die BR-Wahl eingeleitet hatte, drohte der Arbeitgeber allen Arbeitnehmern offen mit Nachteilen, sollte tatsächlich ein Betriebsrat gewählt werden. Diejenigen Arbeitnehmer, die keinen BR wollten, forderte er auf, sich aktiv gegen die Wahl einzusetzen. Am Wahltag konnte der Wahlvorstand wegen eines technischen Defekts den im Gewerkschaftshaus vorgesehenen Wahlraum nicht benutzen. Deswegen fand die Wahl kurzerhand auf einem Parkplatz statt. Von den mehr als 90 Mitarbeitern wurden insgesamt genau acht gültige Stimmen abgegeben. Alle drei zur Verfügung stehenden Bewerber erhielten dabei mindestens zwei Stimmen. Der Arbeitgeber hat daraufhin die Wahl beim Arbeitsgericht angefochten.
Das Arbeitsgericht Kiel hielt die Wahl für gültig. Der Umstand, dass auf einem Parkplatz gewählt wird, führt nicht per se zur Unwirksamkeit. Wahlvorschriften wurden nicht verletzt, auch die Stimmabgabe erfolgte geheim. Die etwaige Anwesenheit Betriebsfremder auf dem Parkplatz konnte bei lediglich drei Kandidaten für drei Betriebsratsposten keinen Einfluss auf das Wahlergebniss haben. Auch der Umstand, dass nur ganz wenige gültige Stimmen abgegeben wurden, wirkt sich nicht auf die Wirksamkeit der Wahl aus. Die Mehrheit der Belegschaft kann gegenüber einer Minderheit die Betriebsratswahl grundsätzlich nicht verhindern, solange sämtliche Wahlvorschriften eingehalten wurden.
Nicht mehr geklärt werden musste schließlich die Frage, ob das Wahl-Anfechtungsrecht des Arbeitgebers in diesem Fall bereits wegen verbotener Wahlbehinderung verwirkt sein könnte.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.
Arbeitsgericht Kiel, Beschluss vom 13.11.2003 - 1 BV 34d/03
Muss ein Wahlausschreiben in jeder einzelnen Betriebsstätte ausgehängt werden?
Muss ein Wahlausschreiben in jeder einzelnen Betriebsstätte ausgehängt werden?
Nach § 3 Abs. 4 Satz 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Betriebsverfassungsgesetzes (Wahlordnung - WO) vom 11. Dezember 2001 ist ein Abdruck des Wahlausschreibens vom Tage seines Erlasses bis zum letzten Tag der Stimmabgabe an einer oder mehreren geeigneten, den Wahlberechtigten zugänglichen Stellen vom Wahlvorstand auszuhängen und in gut lesbarem Zustand zu erhalten. Dadurch soll es den Wahlberechtigten ermöglicht werden, sich von der Einleitung der Wahl bis zu deren Abschluss über die zur Ausübung ihres Wahlrechts maßgeblichen Umstände und Vorschriften zu informieren. Diese Möglichkeit muss für alle Wahlberechtigten gleichermaßen bestehen. Das Wahlausschreiben muss so ausgehängt werden, dass es von allen Wahlberechtigten zur Kenntnis genommen werden kann. In einem Betrieb mit mehreren räumlich voneinander getrennten Betriebsstätten in der gesamten Bundesrepublik ist deshalb regelmäßig in jeder Betriebsstätte ein Abdruck des Wahlausschreibens auszuhängen. Eine Betriebsratswahl ist nach § 19 BetrVG anfechtbar, wenn das Wahlausschreiben vom Wahlvorstand nicht ordnungsgemäß im Betrieb ausgehängt wurde.
Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte über die Anfechtung einer Betriebsratswahl in einem Betrieb mit 84 Betriebsstätten in 24 Orten zu entscheiden. Der Wahlvorstand hatte nur in den beiden größten Betriebsstätten jeweils einen Abdruck des Wahlausschreibens ausgehängt. Die Betriebsratswahl wurde von 43 wahlberechtigten Arbeitnehmern angefochten. Die Vorinstanzen haben den Antrag zurückgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat die Betriebsratswahl für unwirksam erklärt. Der Aushang des Wahlausschreibens in nur zwei von insgesamt 84 Betriebsstätten in ganz Deutschland genügte nicht den Anforderungen des § 3 Abs. 4 Satz 1 WO. Dadurch hatten nicht alle wahlberechtigten Arbeitnehmer die Möglichkeit, sich in zumutbarer Weise Kenntnis von dem Inhalt des Wahlausschreibens zu verschaffen.
Vorinstanz: LAG Berlin, Beschluss vom 14. Mai 2003 - 15 TaBV 2341/02
Quelle: www.bundesarbeitsgericht.de
BAG, Beschluß vom 05.05.2004 - 7 ABR 44/03
Bildung eines Euro-Betriebsrats - Die "Kühne & Nagel"-Entscheidung
Das deutsche Unternehmen der von der Schweiz aus geleiteten Kühne & Nagel-Gruppe ist verpflichtet, dem Gesamtbetriebsrat die Auskünfte zu erteilen, die für die Bildung eines Europäischen Betriebsrats für alle in der EU belegenen Unternehmen der Gruppe erforderlich sind. Dies hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts, im Ergebnis wie die Vorinstanzen, entschieden. Er ließ den Einwand des Unternehmens nicht gelten, es besitze diese Informationen selbst nicht und die zentrale Leitung in der Schweiz ebenso wie die übrigen ausländischen Unternehmen der Gruppe weigerten sich, ihm die Auskünfte zu erteilen. Das deutsche Unternehmen muss erforderlichenfalls die Information durch die Unternehmen der Gruppe in den jeweiligen Mitgliedstaaten der Europäischen Union vor den dortigen Gerichten einklagen. Die EG-Richtlinie über Europäische Betriebsräte sieht nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. Januar 2004 einen entsprechenden Auskunftsanspruch vor.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 30. Juni 1999 - 8 TaBV 4/99
BAG, Beschluss vom 29.06.2004 - 1 ABR 32/99
Praktische Anforderungen an die Errichtung eines Euro-BR werden erleichtert
Der Betriebsrat kann nach dem Gesetz über Europäische Betriebsräte (EBRG) von der örtlichen Unternehmensleitung die Auskünfte verlangen, die er benötigt, um zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Errichtung eines Europäischen Betriebsrats vorliegen. Dazu zählen insbesondere die Informationen, die für die Beurteilung erforderlich sind, ob es in einer europaweit tätigen Unternehmensgruppe ein herrschendes Unternehmen gibt und welche Unternehmen von diesem abhängig sind. Auch eine natürliche Person kann herrschendes Unternehmen sein.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts gab dem Antrag eines Betriebsrats statt, der von der Arbeitgeberin - einer GmbH & Co KG - u.a. Auskunft über die nationalen und internationalen Beteiligungen ihres Kommanditisten und Firmengründers begehrte. Aufgrund von dessen Kapitalbeteiligung sowie der weitreichenden Befugnisse des von ihm dominierten "Gesellschafterbeirats" steht fest, dass der Firmengründer die Arbeitgeberin beherrscht. Um auch beurteilen zu können, ob und welche Unternehmen in anderen europäischen Ländern von dem Firmengründer abhängig sind, benötigt der Betriebsrat noch Kenntnisse über dessen direkte und indirekte Beteiligungen. Dem Anspruch des Betriebsrats steht der von den Unternehmen der bofrost-Gruppe geschlossene sog. Internationale Gleichordnungskonzernvertrag nicht entgegen. Dieser Vertrag schränkt die Beherrschungsmöglichkeiten des Firmengründers nicht ein. Bereits das Landesarbeitsgericht hatte dem Auskunftsbegehren entsprochen, nachdem es zur Auslegung der einschlägigen Richtlinie 94/45/EG eine Auskunft des Europäischen Gerichtshofs eingeholt hatte (EuGH Urteil vom 29. März 2001 - Rs C-62/99 - [bofrost]).
Vorinstanz: LAG Düsseldorf Teil-Beschluss vom 25. Oktober 2001 - 5 TaBV 87/98
Quelle: www.bundesarbeitsgericht.de
BAG, Beschluß vom 30.03.2004 - 1 ABR 61/01
Der Betriebsrat kann, sofern berechtigte Belange des Arbeitgebers nicht entgegenstehen, von diesem die Eröffnung eines Internetzugangs und die Einrichtung eigener E-Mail-Adressen auch für die einzelnen Betriebsratsmitglieder verlangen.
Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung im erforderlichen Umfang Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Die Beurteilung, ob ein Mittel der Informations- und Kommunikationstechnik der Erfüllung von Betriebsratsaufgaben dient, ist Sache des Betriebsrats. Er hat dabei einen Beurteilungsspielraum. Bei seiner Entscheidung muss er die entgegenstehenden Belange des Arbeitgebers, darunter insbesondere die diesem entstehenden Kosten berücksichtigen. Wie das Bundesarbeitsgericht bereits wiederholt entschieden hat, kann der Betriebsrat die Einholung von Informationen aus dem Internet als zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ansehen. In Wahrnehmung seines Beurteilungsspielraums darf er auch davon ausgehen, dass die Eröffnung von Internetanschlüssen für die einzelnen Mitglieder - etwa zu deren Vorbereitung auf Betriebsratssitzungen - der Aufgabenerfüllung des Betriebsrats dient. Auch durch die Entscheidung, seinen Mitgliedern eigene E-Mail-Adressen zum Zwecke der externen Kommunikation einzurichten, überschreitet der Betriebsrat seinen Beurteilungsspielraum nicht. Ebenso wie die Informationsbeschaffung kann die Kommunikation einzelner Betriebsratsmitglieder mit nicht zum Betrieb gehörenden Dritten Teil der Betriebsratstätigkeit sein.
Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat daher - anders als die Vorinstanzen - den Anträgen eines Betriebsrats stattgegeben, der vom Arbeitgeber für sämtliche Mitglieder die Eröffnung von Zugängen zum Internet sowie die Einrichtung eigener E-Mail-Adressen verlangt hat. Berechtigte Kosteninteressen des Arbeitgebers standen dem Verlangen nicht entgegen, da die Betriebsratsmitglieder alle an PC-Arbeitsplätzen beschäftigt sind, so dass es lediglich der Freischaltung des Internets und der Einrichtung einer E-Mail-Adresse bedarf.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 2. September 2008 - 9 TaBV 8/08
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 14. Juli 2010 - 7 ABR 80/08
Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2009 - 22 TaBV 874/08 - wird zurückgewiesen.
Gründe
Siehe auch Beschluss des 7. Senats vom 17.2.2010 - 7 ABR 105/09
Der Betriebsrat kann vom Arbeitgeber die Bereitstellung eines Internetanschlusses jedenfalls dann verlangen, wenn er bereits über einen PC verfügt, im Betrieb ein Internetanschluss vorhanden ist, die Freischaltung des Internetzugangs für den Betriebsrat keine zusätzlichen Kosten verursacht und der Internetnutzung durch den Betriebsrat keine sonstigen berechtigten Belange des Arbeitgebers entgegenstehen. Nach § 40 Abs. 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat für die laufende Geschäftsführung in dem erforderlichen Umfang auch Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Dazu gehört das Internet.
Der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat daher, wie bereits die Vorinstanzen, dem Antrag eines Betriebsrats stattgegeben, der von der Arbeitgeberin einen Zugang zum Internet für den ihm zur Verfügung stehenden PC verlangt hat. Die Leitung des von der Arbeitgeberin betriebenen Baumarkts, für den der Betriebsrat gebildet ist, verfügt über einen Internetanschluss. Durch die Freischaltung des dem Betriebsrat zur Verfügung gestellten PC entstehen für die Arbeitgeberin keine zusätzlichen Kosten. Auch sonstige der Internetnutzung durch den Betriebsrat entgegenstehende berechtigte Belange hatte die Arbeitgeberin nicht geltend gemacht.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. Juli 2008- 17 TaBV 607/08
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 20. Januar 2010 - 7 ABR 79/08
Leitsätze
Jedes Mitglied des Betriebsrats verfügt nach § 34 Abs. 3 BetrVG über ein unabdingbares Recht, auf Datenträgern gespeicherte Dateien und E-Mails des Betriebsrats auf elektronischem Wege zu lesen.
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 17. Dezember 2007 - 12 TaBV 86/07 - wird mit der klarstellenden Maßgabe zurückgewiesen, dass der Betriebsrat verpflichtet wird, den Beteiligten zu 1. bis 4. die Möglichkeit zu geben, jederzeit auf elektronischem Weg die unter „\Stnt01\g_br“ abgespeicherten Daten sowie in die unter seinem E-Mail-Konto (E-Mail-Adresse) eingehenden und ausgehenden E-Mails Einsicht nehmen zu können.
Zu den Gründen siehe den Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 12.8.2009, 7 ABR 15/08 unter www.bundesarbeitsgericht.de
Besteht der Anspruch nach Freistellung weiter?
Nach § 37 Abs. 2 BetrVG sind Mitglieder des Betriebsrats ohne Minderung des Arbeitsentgelts von ihrer beruflichen Tätigkeit zu befreien, wenn und soweit dies zur ordnungsgemäßen Durchführung der Betriebsratstätigkeit erforderlich ist. Deshalb hat ein von der beruflichen Tätigkeit vollständig freigestelltes Betriebsratsmitglied Anspruch auf die weitere private Nutzung eines Dienstwagens, wenn ihm vor der Freistellung zur Durchführung seiner arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit ein Dienstwagen überlassen worden war und er das Fahrzeug auch privat nutzen durfte. Die Überlassung eines Dienstwagens zur privaten Nutzung ist als Sachbezug Teil des Vergütungsanspruchs, der dem Arbeitnehmer wegen der Freistellung als Betriebsratsmitglied nicht entzogen werden darf.
Im Streitfall hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer zur Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit als Vertriebsdisponent einen Pkw überlassen, den er auf Grund einer vertraglichen Vereinbarung auch privat nutzen durfte. Der geldwerte Vorteil wurde versteuert. In dem Nutzungsvertrag ist bestimmt, dass die Gebrauchsüberlassung im Falle der Freistellung von der Dienstpflicht entschädigungslos endet. Nachdem der Kläger als Betriebsratsmitglied nach § 37 Abs. 2 BetrVG vollständig von der beruflichen Tätigkeit freigestellt worden war, gab er den Dienstwagen nach Aufforderung der Beklagten zurück. Seine Klage auf die erneute Überlassung eines Pkw zur privaten Nutzung sowie Schadensersatz wegen der vorübergehend entgangenen Nutzungsmöglichkeit hatte letztinstanzlich beim Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, dem Kläger während der Dauer seiner Freistellung als Betriebsratsmitglied einen Pkw zur Privatnutzung zur Verfügung zu stellen und den durch die Vorenthaltung des Dienstwagens entstandenen Schaden zu ersetzen.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln Urteil vom 4. Juli 2003 - 11 Sa 190/03 -
BAG, Urteil vom 23.06.2004 - 7 AZR 514/03
Ein Betriebsratsmitglied kann nach § 37 Abs 3 Satz 1 BetrVG zum Ausgleich für Fahrtzeiten, die mit der Betriebsratstätigkeit im unmittelbaren Zusammenhang stehen, Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts nach den im Betrieb des Arbeitgebers geltenden tarifvertraglichen oder betrieblichen Regelungen über die Durchführung von Dienstreisen beanspruchen.
BAG, Urteil vom 16.04.2003 - 7 AZR 423/01
In Unternehmen mit in der Regel mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG den Betriebsrat vor jeder Eingruppierung zu unterrichten und dessen Zustimmung einzuholen. Eingruppierung im Sinne dieser Vorschrift ist die Einordnung eines Arbeitnehmers in ein kollektives Entgeltschema mit mindestens zwei Vergütungsgruppen. Die Beteiligung des Betriebsrats an diesem Akt der Rechtsanwendung dient der Richtigkeitskontrolle. Sein Mitbeurteilungsrecht bei der Eingruppierung bezieht sich nur auf die zutreffende Einstufung des Arbeitnehmers in eine Vergütungsgruppe. Gemäß § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG kann der Betriebsrat seine Zustimmung ua. dann verweigern, wenn die vom Arbeitgeber beabsichtigte Eingruppierung gegen eine Bestimmung in einem Tarifvertrag verstoßen würde. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, hat er dies unter Angabe von Gründen innerhalb einer Woche nach Unterrichtung durch den Arbeitgeber diesem schriftlich mitzuteilen (§ 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG). Der Arbeitgeber kann dann nach § 99 Abs. 4 BetrVG beim Arbeitsgericht beantragen, die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen. Der Antrag ist begründet, wenn kein Zustimmungsverweigerungsgrund iSv. § 99 Abs. 2 BetrVG vorlag.
Die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Eingruppierung einer Krankenschwester beantragt hatte eine Arbeitgeberin, die eine auf medikamentöse Tumortherapie spezialisierte Klinik betreibt, über 400 Arbeitnehmer beschäftigt und einer Unternehmensgruppe angehört, für die Tarifverträge abgeschlossen sind. Sie beabsichtigte, die im Jahr 2004 neu eingestellte Arbeitnehmerin auf der Basis einer Wochenarbeitszeit von 40 Stunden zu beschäftigen. Der Manteltarifvertrag, der eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden festlegte, war zum 31. Dezember 2003 gekündigt worden. Der Betriebsrat stimmte der Einstellung zu, verweigerte jedoch seine Zustimmung zu der von der Arbeitgeberin beabsichtigten Eingruppierung in die Vergütungsgruppe 4 des gültigen Entgelttarifvertrages. Als Grund gab er an, die vorgesehene Eingruppierung verstoße gegen den Entgelttarifvertrag. Die Vergütungsgruppen dieses Tarifvertrags knüpften an die im Manteltarifvertrag festgelegte regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden und nicht an eine Wochenarbeitszeit von 40 Stunden an.
Die Vorinstanzen gaben dem Antrag der Arbeitgeberin statt und ersetzten die Zustimmung des Betriebsrats. Dessen Rechtsbeschwerde blieb vor dem Zehnten Senat des Bundesarbeitsgerichts ohne Erfolg. Für die Beurteilung, welchen tariflichen Merkmalen oder Tätigkeitsbeispielen des Entgelttarifvertrages die Tätigkeit der neu eingestellten Arbeitnehmerin entspricht, ist nach der tariflichen Regelung die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit ohne Bedeutung. Die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden war deshalb kein Grund für die Verweigerung der Zustimmung zur Eingruppierung.
Vorinstanz: LAG Baden-Württemberg - Kammern Freiburg - Beschluss vom 20. Juli 2005 - 10 TaBV 1/05 - BAG, Beschluss vom 28. Juni 2006 - 10 ABR 42/05 -Quelle: www.bundesarbeitsgericht.de
Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat vor jeder Einstellung zu unterrichten. Er hat ihm die erforderlichen Bewerbungsunterlagen vorzulegen und Auskunft über die Person der Stellenbewerber zu geben. Die Auskünfte haben sich auf die fachlichen und persönlichen Voraussetzungen für den zu besetzenden Arbeitsplatz zu erstrecken. Wenn für die Auswahlentscheidung Vorstellungsgespräche mit verschiedenen Bewerbern maßgeblich waren, gehört zu einer vollständigen Auskunft eine Mitteilung über den Gesprächsinhalt. Darüber hat der Arbeitgeber zumindest dann auch ohne Verlangen des Betriebsrats zu informieren, wenn an den Vorstellungsgesprächen eine Bewerberin beteiligt war und er sich in einem Frauenförderplan verpflichtet hat, bei gleicher Eignung den Anteil von Frauen in den Bereichen zu erhöhen, in denen sie zahlenmäßig unterrepräsentiert sind. In diesem Fall kann der Arbeitgeber nicht davon ausgehen, er habe seiner Unterrichtungspflicht auch ohne eine solche Mitteilung genügt.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts hat deshalb den Antrag eines Arbeitgebers auf Ersetzung der vom Betriebsrat verweigerten Zustimmung zur Einstellung eines Referatsleiters - anders als die Vorinstanzen - abgewiesen. Von den insgesamt 32 Stellenbewerbern bat der Arbeitgeber zunächst zwei Frauen und sieben Männer zu Vorstellungsgesprächen; eine Frau und zwei Männer lud er ein weiteres Mal. Dem Betriebsrat teilte er mit, der zur Einstellung vorgesehene Bewerber habe in den Vorstellungsgesprächen die Auswahlkriterien insgesamt mit Abstand am besten erfüllt. Die Mitteilung enthielt keinerlei Angaben über die Gespräche mit den anderen Bewerbern. Darin lag keine ausreichende Unterrichtung des Betriebsrats. Angesichts des im Betrieb geltenden Frauenförderplans konnte sich der Arbeitgeber auch nicht darauf berufen, der Betriebsrat habe keine weiteren Auskünfte verlangt.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 11. November 2003 - 6 TaBV 16/03 -
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 28.06.2005 - 1 ABR 26/04
Wer überwacht die Ausbildung: Zentrale oder Filiale?
Nach § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung eines Arbeitnehmers zu hören. Eine ohne Anhörung des Betriebsrats ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Es fehlt an einer ordnungsgemäßen vorherigen Anhörung der Arbeitnehmervertretung auch dann, wenn der Arbeitgeber einen nicht zuständigen Betriebsrat beteiligt.
Der Kläger wurde von der Beklagten auf der Basis eines auf sechs Monate befristeten - außertariflichen - Anstellungsvertrags als "Trainee in allen Filialen" eingestellt. Er wurde zunächst im Markt in W. eingesetzt. Nach einer knapp dreimonatigen Tätigkeit kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis fristgemäß, nachdem sie zuvor den Betriebsrat des Marktes in W. angehört hatte. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wegen fehlerhafter Beteiligung des Betriebsrats unwirksam, da die Beklagte den Betriebsrat der Hauptverwaltung in K., der die Ausbildung der "Trainees in allen Filialen" obliege, hätte anhören müssen. Die Zuordnung zu einer Filiale erfolge nur im Rahmen der praktischen Einarbeitung.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
Der Senat hat die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Er konnte den Rechtsstreit in der Sache nicht endgültig entscheiden, weil wesentliche Tatsachen noch nicht aufgeklärt sind. Ob der Arbeitgeber bei einem "Trainee in allen Filialen" den Betriebsrat der die "Ausbildung" leitenden Stelle oder der jeweiligen Einsatzfiliale zur beabsichtigten Kündigung des Arbeitsverhältnisses anhören muss, richtet sich nach der konkreten Ausgestaltung des Traineeverhältnisses. Dabei kommt es entscheidend darauf an, ob die (Gesamt-) Ausbildung im Wesentlichen von einer Stelle organisiert und überwacht wird und ob die für das Arbeitsverhältnis grundlegenden Entscheidungen dort oder im Einsatzbetrieb getroffen werden.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 4. November 2003 - 13 Sa 596/03 -
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 12.05.2005 - 2 AZR 149/04
Wann liegt eine Störung des Betriebsfriedens vor?
Der Betriebsrat kann nach § 99 Abs. 2 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz seine Zustimmung zur Einstellung eines Arbeitnehmers verweigern, wenn die durch Tatsachen begründete Besorgnis besteht, dass dieser durch gesetzwidrige Handlungen den Betriebsfrieden stören werde. Dazu bedarf es einer entsprechenden schlüssigen Prognose. Diese ist nicht schon dann begründet, wenn der Mitarbeiter wenige Monate zuvor wegen eines Gesetzesverstoßes aus dem Betrieb ausgeschieden war. Es muss vielmehr eine Wiederholungsgefahr bestehen. Hierfür sind die Umstände des Einzelfalls maßgeblich.
Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts gab deshalb - wie schon die Vorinstanzen - dem Antrag des Arbeitgebers auf Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Wiedereinstellung eines Fluglotsen statt, der einige Monate zuvor durch Aufhebungsvertrag ausgeschieden war. Er hatte Personalunterlagen des Arbeitgebers über ein Auswahlverfahren kopiert und einigen Mitarbeitern anonym zugeschickt, um Erklärungen des Arbeitgebers im Zusammenhang mit geplanten Strukturänderungen zu widerlegen. In diesem Verhalten lag zwar eine Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Betroffenen, eine Wiederholungsgefahr besteht jedoch nicht. Der Mitarbeiter hatte sein Handeln selbst offenbart, sein Fehlverhalten eingesehen und sich dafür entschuldigt.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Bremen, Beschluss vom 28. Mai 2003 - 2 TaBV 9/02
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 16.11.2004 - 1 ABR 48/03
Führen mehrere Unternehmen gemeinsam einen Betrieb mit mehr als zwanzig wahlberechtigten Arbeitnehmern, hat der Betriebsrat bei einer Versetzung auch dann nach § 99 BetrVG mitzubestimmen, wenn die beteiligten Unternehmen je für sich weniger als zwanzig Arbeitnehmer beschäftigen. Dies hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts zugunsten des Betriebsrats eines zahntechnischen Labors entschieden, das von zwei Unternehmen mit achtzehn bzw. vier Mitarbeitern betrieben wird. Zwar stellt § 99 Abs. 1 BetrVG in der Fassung des Reformgesetzes von 2001, anders als zuvor, dem Wortlaut nach nicht mehr auf die Anzahl der Beschäftigten im Betrieb, sondern im Unternehmen ab. Dabei ist jedoch der Sonderfall eines Gemeinschaftsbetriebs mehrerer Unternehmen, die nur zusammen mehr als zwanzig Arbeitnehmer beschäftigen, nicht berücksichtigt. Wegen der gleichen Interessenlage und zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen ist die analoge Anwendung des § 99 BetrVG auf Versetzungen in einem solchen Betrieb geboten.
Das Bundesarbeitsgericht hat den Beschluss des Landesarbeitsgerichts, das ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats verneint hatte, aufgehoben und die Entscheidung der ersten Instanz wiederhergestellt.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 4. Juni 2003 - 3 TaBV 76/02 -
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 29.09.2004 - 1 ABR 39/03
Der klagende Arbeitnehmer war als Fluglotse bei dem Beklagten in Düsseldorf beschäftigt. Er war zudem Ersatzmitglied des Betriebsrats und nahm in dieser Eigenschaft wegen Verhinderung eines ordentlichen Betriebsratsmitglieds an verschiedenen Terminen an ordentlichen Betriebsratssitzungen teil. Der Arbeitgeber plante das Flugsicherungscenter zum 20.12.02 nach Langen zu verlagern. Mit Schreiben vom 15.05.02 wurde der Betriebsrat in Düsseldorf zu einer Versetzung des Fluglotsen im Wege des Direktionsrechts beteiligt und um Zustimmung ersucht. Der Betriebsrat äußerte sich nicht. Der Betriebsrat in Langen stimmte der Einstellung zu. Mit Schreiben vom 20.06.02 sprach der Arbeitgeber die Versetzung zum 20.12.02 nach Langen aus.
Der Fluglotse klagte gegen die Versetzung und begründete seine Klage unter anderem mit dem Argument, dass der Betriebsrat nicht gem. § 103 Abs. 3 BetrVG der Versetzung zugestimmt hat. Danach bedarf eine Versetzung von Betriebsratsmitgliedern der Zustimmung des Betriebsrats.
Das Arbeitsgericht Düsseldorf gab dem Arbeitgeber Recht. Die Versetzung, die im Wege des Direktionsrechts erfolgte, ist wirksam. Aufgrund einer Versetzungsklausel im Arbeitsvertrag war der Arbeitgeber befugt, den Arbeitnehmer an einen anderen Ort des Unternehmens einzusetzen.
Die Versetzung verstößt auch nicht gegen § 99 BetrVG. Sowohl der Betriebsrat des abgebenden als auch der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebes sind beteiligt worden. Der abgebende Betrieb hat sich zwar zu der Versetzung nicht geäußert, bei Schweigen tritt jedoch die Zustimmungsfiktion gem. § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG ein.
Die Versetzung verstößt auch nicht gegen § 103 Abs. 3 BetrVG. Zutreffend ist zwar, dass bei § 103 Abs. 3 BetrVG anders als bei § 99 BetrVG eine Zustimmungsfiktion durch Schweigen des Betriebsrats nicht eintritt. Als Ersatzmitglied des Betriebsrats genoss der Kläger im Zeitpunkt der Versetzung jedoch keinen Schutz nach § 103 Abs. 3 BetrVG. Es kann dabei offen bleiben, ob Ersatzmitglieder generell vom Schutz des § 103 Abs. 3 BetrVG ausgenommen sind, jedenfalls besteht kein nachwirkender Versetzungsschutz. Der Kläger ist nicht endgültig in den Betriebsrat nachgerückt, sondern nur vorübergehend und weder zum Zeitpunkt der Ausspruchs der Versetzung am 20.06.02 noch am Tage der Versetzung lag ein Vertretungsfall vor.
(redaktionell bearbeitet von der ifb-Newsletter-Redaktion)
Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26.03.2003 - 10 Ca 5399/02
Verweigert der Betriebsrat die Zustimmung zur Einstellung eines externen Bewerbers, weil der Arbeitgeber die Stelle nicht zuvor intern ausgeschrieben hat, so kann die Neueinstellung gleichwohl wirksam sein. Voraussetzung hierfür ist, dass der Arbeitgeber den externen Bewerber zunächst nur vorläufig eingestellt hat und er die interne Stellenausschreibung während des Zustimmungsersetzungsverfahrens nachholt. Eine derartige nachträgliche Stellenausschreibung hat regelmäßig keine bloße Alibifunktion.
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt Köln
LAG Berlin, Beschluß vom 29.06.2003 - 6 TaBV 609/03
Betriebsrat braucht sich nicht auf Schulung des Arbeitgeberverbandes verweisen lassen
Der Betriebrat muss sich bei der Auswahl einer Schulung nach § 37 Abs. 6 BetrVG nicht auf eine kostenlose Schulung des Arbeitgeberverbandes verweisen lassen.
Ein dreikoepfiger Betriebsrat beschloss, alle drei Mitglieder an einer Gewerkschaftsschulung zum Thema Arbeitsrecht I teilnehmen zu lassen. Ein BR-Mitglied befand sich in der zweiten Amtsperiode, die anderen beiden waren neu gewaehlt. Als der Betriebsrat den Beschluss seinem Arbeitgeber vorlegte, verwies dieser den Betriebsrat auf eine kostenlose Schulung seines Arbeitgeberverbandes zum gleichen Thema. Der Betriebsrat weigerte sich, diese Schulung zu besuchen mit dem Argument, dem Arbeitgeber stehe kein Recht zur Bestimmung der Inhalte zu, die der Betriebsrat sich aneignen moechte, zudem seien die Kosten der Gewerkschaftsschulung angemessen. Darauf entgegnete der Arbeitgeber, dass es dem Betriebsratsmitglied aus der zweiten Amtszeit an der Erforderlichkeit fehle und dass das von ihm vorgeschlagene Seminar zudem mehr Themen enthalte und somit besonders geeignet sei.
Das Arbeitsgericht gab dem Betriebsrat Recht. Es stellte zunaechst, unter Berufung auf das Bundesarbeitsgericht fest, dass Grundkenntnisse im Arbeitsrecht fuer die Betriebsratsarbeit erforderlich sind. Dies gilt auch fuer das langjaehrige Betriebsratmitglied. Zwar erwirbt ein Betriebsratsmitglied im Verlauf seiner Taetigkeit arbeitsrechtliche Kenntnisse, aber die Schulungen nach § 37 Abs. 6 BetrVG dienen auch dazu, diese Kenntnisse zu systematisieren, dem Betriebsrat Einschaetzungs- und Bewertungsmaßstaebe naeher zu bringen und ihm den Zugang zu komplizierteren Formulierungen des Gesetzes und den Kommentierungen zu erleichtern. Darueber hinaus aendert sich das Arbeitsrecht rasch. Der Betriebsrat muss sich auch nicht auf die kostenfreie Schulung des Arbeitgeberverbandes verweisen lassen. Der Betriebsrat hat ein Auswahlermessen bei der Wahl der inhaltlichen Schwerpunkte. Er kann somit das Seminar auswaehlen, welches den betrieblichen Beduerfnissen am besten entspricht. Es ist dem Betriebsrat auch nicht zuzumuten, das Seminar mit taeglicher An- und Abreise zu besuchen. Schon eine Entfernung des Seminarorts von 74 km und eine einfache Fahrtzeit von mindestens einer Stunde sprechen dagegen. Hinzu kommt, dass der allabendliche Austausch zwischen den einzelnen Teilnehmern und dem Referenten wichtig ist, um das Gehoerte mit Beispielen aus der Praxis aufzufuellen.
Arbeitsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 03.09.2004 - 12 BV 56/04
Wie werden die während eines Schulungstages anfallenden Pausen behandelt?
Nimmt ein teilzeitbeschäftigtes Betriebsratsmitglied außerhalb seiner Arbeitszeit an einer für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Schulungsveranstaltung teil, besteht nach § 37 Abs. 6 Satz 1 und 2 iVm. § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ein Anspruch auf entsprechenden Freizeitausgleich. Zu der ausgleichspflichtigen Schulungszeit zählen auch während eines Schulungstags anfallende Pausen. Der Umfang des Freizeitausgleichs nach diesen Bestimmungen ist auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers an dem entsprechenden Schulungstag begrenzt. Dabei ist grundsätzlich die betriebsübliche Dauer und Lage der Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers maßgeblich. Das hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts in dem Fall eines teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds entschieden, das die Zahlung von Vergütung für in Anspruch genommenen Freizeitausgleich geltend gemacht hatte.
Die Klägerin ist bei der Beklagten mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19 Stunden teilzeitbeschäftigt. Andere Arbeitnehmer der Beklagten haben individuelle regelmäßige Arbeitszeiten von 5 bis 40 Stunden pro Woche. Die Klägerin ist Mitglied des Betriebsrats und nahm in der Woche vom 8. - 12. Juli 2002 an einer Betriebsratsschulung teil. An den einzelnen Schulungstagen fanden verschiedene Pausen zur Einnahme von Mahlzeiten und Getränken statt. Ende Juli/Anfang August 2002 wurde der Klägerin auf ihren Antrag Freizeitausgleich von 21 Stunden gewährt. Die Beklagte zahlte dafür jedoch keine Vergütung. Die Vorinstanzen haben der Zahlungsklage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Der Anspruch der Klägerin auf Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 6 Satz 1 und 2 iVm. § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG umfasst zwar auch die außerhalb ihrer Arbeitszeit während der Schulungstage angefallenen Pausen. Der Ausgleichsanspruch ist auch nicht auf die regelmäßige Arbeitszeit anderer Arbeitnehmer der Abteilung der Klägerin, die maximal 25 Stunden pro Woche arbeiten, beschränkt. Maßgeblich für den Umfang des Freizeitausgleichs ist vielmehr die Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer. Wegen fehlender tatsächlicher Feststellungen zur betrieblichen Arbeitszeitgestaltung wurde der Rechtsstreit aber zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 29. Januar 2004 - 21 Sa 104/03
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.02.2005 - 7 AZR 330/04
Neues zum Anspruch nach § 37 Abs. 6 BetrVG
Nimmt ein Betriebsratsmitglied wegen Besonderheiten der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung außerhalb seiner Arbeitszeit an einer für die Betriebsratsarbeit erforderlichen Schulungsveranstaltung teil, besteht nach § 37 Abs. 6 Satz 1 und 2 iVm. § 37 Abs. 3 Satz 1 und 2 BetrVG ein Anspruch auf entsprechenden Freizeitausgleich. Der Umfang des Freizeitausgleichs ist nach § 37 Abs. 6 Satz 2 BetrVG pro Schulungstag begrenzt auf die Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Dabei kommt es auf die konkrete zeitliche Lage der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers an dem betreffenden Schulungstag an. Das hat der Siebte Senat des Bundesarbeitsgerichts in dem Fall eines teilzeitbeschäftigten Betriebsratsmitglieds entschieden, das Freizeitausgleich für die Dauer der Heimreise von einer Betriebsratsschulung geltend gemacht hatte.
Die Klägerin nahm in der Zeit vom 2. bis 5. Oktober 2001 an einer Betriebsratsschulung teil. Die Schulungsveranstaltung endete freitags um 12:00 Uhr. Die Heimreise erfolgte am selben Tag in der Zeit von 14:18 Uhr bis 18:00 Uhr. Die persönliche Arbeitszeit der Klägerin endet, ebenso wie diejenige vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer ihrer Abteilung, freitags um 12:00 Uhr. Die Klage auf Gewährung von Freizeitausgleich im Umfang von 4 Stunden für die Dauer der Rückreise von der Schulung wurde vom Siebten Senat des Bundesarbeitsgerichts, ebenso wie zuvor vom Landesarbeitsgericht, abgewiesen. Ein Anspruch auf Freizeitausgleich besteht nicht, weil die Arbeitszeit vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in der Abteilung der Klägerin freitags um 12:00 Uhr endet.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 3. Februar 2004 - 17 Sa 70/03 -
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.11.2004 - 7 AZR 131/04
Kosten müssen verhältnismäßig sein
Selbst wenn ein sog. offenes Seminar kostengünstiger gewesen sein sollte, ist nicht ersichtlich, warum ein Gesamtbetriebsrat in jedem Fall gezwungen sein soll, ein solches Seminar in Anspruch zu nehmen. Wenn es aus seiner Sicht den Bedürfnissen seiner Mitglieder eher entspricht, ein speziell auf das Unternehmen zugeschnittenes Seminar zu besuchen, führt dies nicht automatisch zu einer Unverhältnismäßigkeit der Kosten. Vielmehr müssten dann die Kosten eines solchen individuellen Seminars außer Verhältnis zu den Kosten eines Seminars stehen, das im gleichen Umfang diesem Schulungsbedürfnis entspricht.
Quelle: Arbeitsgericht Frankfurt am Main
Arbeitsgericht Frankfurt am Main, Beschluß vom 10.02.2004 - 8 BV 307/03
Thema: Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Arbeitskampf
Die Teilnahme eines Betriebsratsmitglieds an einer Schulungsveranstaltung mit dem Thema „Rechte und Pflichten des Betriebsrats im Arbeitskampf“ kann nach § 37 VI BetrVG nur dann als erforderlich angesehen werden, wenn ein konkreter, aktueller, betriebsbezogener Anlaß besteht, d. h. wenn konkret vorhersehbar ist, daß der Betrieb direkt oder indirekt von Arbeitskampfmaßnahmen betroffen sein wird. Die Vermittlung von Kenntnissen aus dem Gebiet des Arbeitskampfes gehört nicht zur Vermittlung von Grundkenntnissen des Betriebsverfassungsgesetzes oder des Arbeitsrechts.
LAG Hamm, Urteil vom 11.08.2003 - 10 Sa 141/03
Sozialpläne dürfen eine nach Lebensalter oder Betriebszugehörigkeit gestaffelte Abfindungsregelung vorsehen. Sie dürfen rentenberechtigte Arbeitnehmer von Sozialplanleistungen auch ausschließen. Die damit verbundene unterschiedliche Behandlung wegen des Alters ist von § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gedeckt. Diese Regelung verstößt nicht gegen das gemeinschaftsrechtliche Verbot der Altersdiskriminierung. Sie ist im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2000/78/EG durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt. Es entspricht einem allgemeinen sozialpolitischen Interesse, dass Sozialpläne danach unterscheiden können, welche wirtschaftlichen Nachteile den Arbeitnehmern drohen, die durch eine Betriebsänderung ihren Arbeitsplatz verlieren. Diese Nachteile können mit steigendem Lebensalter zunächst zunehmen, weil damit die Gefahr längerer Arbeitslosigkeit typischerweise wächst, und können geringer sein, wenn Arbeitnehmer nach dem Bezug von Arbeitslosengeld in der Lage sind, Altersrente in Anspruch zu nehmen. Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts gab daher der Klage eines Arbeitnehmers statt, der eine Abfindung nach einer Sozialplanregelung beanspruchte, die für "bis zu 59-jährige" Arbeitnehmer eine von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängige Abfindung vorsieht. Eine solche Berechnungsformel ist nach § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gerechtfertigt. Auch die in dem Sozialplan weiter vorgesehene Differenzierung, nach der über 59 Jahre alte Arbeitnehmer gemäß einer anderen Berechnungsformel nur einen Anspruch auf eine geringere Abfindung haben, ist zulässig und führt nicht zur Unwirksamkeit des Sozialplans. Die mit einem solchen Systemwechsel verbundene Ungleichbehandlung älterer Arbeitnehmer ist ebenfalls durch § 10 Satz 3 Nr. 6 AGG gedeckt. Sie beruht auf der nicht zu beanstandenden Beurteilung der Betriebsparteien, dass rentennahe Jahrgänge durch den Verlust des Arbeitsplatzes regelmäßig geringere Nachteile erleiden als jüngere Arbeitnehmer.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20. November 2007 - 19 Sa 1416/07
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. Mai 2009 - 1 AZR 198/08
Betriebsrat kann Spruch der Einigungsstelle anfechten
Der Betriebsrat kann den Spruch der Einigungsstelle zur Aufstellung eines Sozialplans mit der Begründung anfechten, dessen Gesamtvolumen sei zu gering. Dazu muss der Betriebsrat anhand konkreter Angaben darlegen, dass und inwiefern der Sozialplan seiner Funktion als Ausgleich oder Milderung der wirtschaftlichen Nachteile der Betriebsänderung für die Arbeitnehmer (§ 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) nicht genüge, weil er deren sozialen Belange nicht ausreichend berücksichtige (§ 112 Abs. 5 Satz 1 BetrVG). Ermessensfehlerfrei ist der Sozialplan nur, wenn er wenigstens eine substantielle Milderung der wirtschaftlichen Nachteile vorsieht. Eine Unterschreitung dieser Grenze ist jedoch zulässig und geboten, wenn das Sozialplanvolumen für das Unternehmen wirtschaftlich sonst nicht vertretbar wäre.
Nach diesen Maßstäben war der von der Einigungsstelle für einen Betrieb im Hamburger Hafen beschlossene Sozialplan nicht ermessensfehlerhaft. Die Arbeitgeberin hatte im Jahr 2001 ihren Umschlag von Stückgütern wegen jahrelanger Verluste eingestellt und rund neunzig der etwa hundert Mitarbeiter entlassen. Der Betriebsrat hat den mit insgesamt etwa 2,5 Mio. DM für Abfindungen dotierten Sozialplan wegen zu geringer finanzieller Ausstattung angefochten. Er blieb vor dem Ersten Senat des Bundesarbeitsgerichts wie schon in den Vorinstanzen ohne Erfolg. Weil der Sozialplan eine substantielle Milderung der für die Arbeitnehmer entstandenen Nachteile vorsah, kam es auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens und, wie vom Betriebsrat geltend gemacht, der Konzernmutter nicht an.
Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Hamburg, Beschluss vom 22. Januar 2003 - 4 TaBV 1/02
Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 24.08.2004 - 1 ABR 23/03