Die 10 wichtigsten Fragen zur Kurzarbeit

Durch die Corona-Pandemie sind viele Betriebsräte mit einem Thema konfrontiert, dass in der Vergangenheit vor allem nur Gremien in Bau- und Produktion kannten: Kurzarbeit. Zu dem Thema ist zwar viel zu lesen, aber in der Regel nur für die Arbeitgeber.

Der Arbeitnehmeranwalt Bernd Spengler, Würzburg, beantwortet die 10 wichtigsten Fragen aus Sicht der Betriebsräte.

Was soll die Kurzarbeit in der Corona-Krise bringen?

In Deutschland haben wir in der Finanzkrise die Erfahrung gemacht, dass mit Kurzarbeit gut qualifizierte Beschäftigte ihren Job behalten haben und dann sofort nach der Krise wieder dem Arbeitgeber zur Verfügung standen. Kurzarbeit soll also Kündigungen vermeiden, um nach der Pandemie schnell wieder anziehen zu können.

Für welche Branchen kommt Kurzarbeit in Betracht?

Wir sehen das gerade bundesweit. Neben Handel, Industrie und Handwerk betrifft das Herunterfahren des öffentlichen Lebens jetzt auch den ÖPNV, Kitas, Theater oder die Gastronomie. Grundsätzlich ist derzeit also auch fast der gesamte Dienstleistungssektor betroffen.

Was müssen Betriebsräte beachten, wenn der AG in Kurzarbeit gehen will?

Die Einführung von Kurzarbeit und deren Ausgestaltung ist mitbestimmungspflichtig. Der Arbeitgeber benötigt eine Vereinbarung mit dem Betriebsrat. Es geht um die Verteilung der restlichen Arbeiten und die für den restlichen Betriebsablauf sinnvolle Arbeitszeit- und Freizeiteinteilung.

Das hat auch etwas mit Verteilungsgerechtigkeit zu tun, um möglichst vielen gleich qualifizierten Menschen die verbliebene Arbeit zukommen zu lassen. Denn das Kurzarbeitergeld wird ja quasi nur für den Teil bezahlt, der an Arbeit ausfällt. Aus Sicht der Betriebsräte gilt es zu vermeiden, dass bei gleicher Qualifikation einige voll arbeiten und andere „Kurzarbeit Null“ haben.

Was ist denn die Voraussetzung für Kurzarbeit?

Das ist ein ganz wichtiges Thema. Der Arbeitgeber muss nach dem Tarifvertrag oder Arbeitsvertrag überhaupt berechtigt sein, die Arbeitszeit bei Kurzarbeit anzupassen. Der öffentliche Dienst kannte beispielsweise Kurzarbeit gar nicht, da wurden jetzt erst einmal tarifliche Voraussetzungen geschaffen. Ansonsten benötigt der Arbeitgeber die Unterschriften der Mitarbeiter. Das ist sicher zur Vermeidung der Alternative Kündigung sinnvoll, eröffnet aber auch Betriebsräten Gestaltungsspielräume.

Wieviel Geld bekommt ein Mitarbeiter in Kurzarbeit?

Das Kurzarbeitergeld soll teilweise das ausgleichen, was dem Mitarbeiter aufgrund der gekürzten Arbeitszeit beim Gehalt (netto) gestrichen wird.

Dieses Minus wird zu 67 % ausgeglichen, wenn ein Arbeitnehmer mit mindestens einem Kind im Haushalt lebt, alle anderen Beschäftigten bekommen 60 % Kurzarbeitergeld.

Das ist im Einzelfall ziemlich wenig. Kann man da was als Betriebsrat verändern?

Richtig. Und deswegen ist es möglich, dass der Arbeitgeber aufstockt. Die Sonderregelung zum Kurzarbeitergeld entlastet die Arbeitgeber, weil die Sozialversicherungsbeiträge, die ein Unternehmen für seine Beschäftigten in Kurzarbeit allein tragen muss, in der Corona-Krise von der Bundesagentur für Arbeit vollständig erstattet werden.

Da liegt es für Betriebsräte nahe, zumindest für die geringeren Entgeltgruppen in den Verhandlungen eine Aufzahlung des Arbeitgebers auf einen Nettosockel von beispielsweise 85 oder 80 Prozent zu verhandeln. Oftmals ist das gestaffelt nach Entgeltgruppen.

Wenn Mitarbeiter in Kurzarbeit sind, dürfen Sie denn dann einen Nebenverdienst haben?

Das ist unproblematisch, wenn der Nebenjob bereits vorher bestand. Wird er erst in der Kurzarbeitsphase aufgenommen, wird dieser Zusatzverdienst auf das Kurzarbeitergeld angerechnet.

Welche Voraussetzungen müssen noch erfüllt sein?

Es muss sich um mindestens 10 Prozent Arbeitsausfall (jetzt während der Corona-Pandemie) für mindestens ein Drittel der Belegschaft handeln. Daran scheitern teilweise zur Zeit beispielsweise bestimmte Wohlfahrtsverbände. Andererseits können jetzt auch Leiharbeiter in einem Unternehmen Kurzarbeitergeld bekommen.

Gibt es besondere Personengruppen, auf die Betriebsräte achten müssen?

Allerdings. Das ist quasi eine Frage des Geltungsbereichs einer solchen Betriebsvereinbarung. Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben nur ungekündigte versicherungspflichtige Beschäftigte. Damit sind die Geringfügig Beschäftigten außen vor. Viele Arbeitgeber wollen diese Teilzeitkräfte daher kündigen. Zu diesen Kündigungen ist aber auch der Betriebsrat nach § 102 BetrVG anzuhören. In manchen Branchen kommt es zu einer Vielzahl von solchen Kündigungen. Da sind Betriebsräte gefordert. Auch Auszubildende können, wenn irgendwelche Restarbeiten verbleiben nicht in Kurzarbeit. Betriebsräte müssen sicherstellen, dass diese jungen Menschen weiter ausgebildet werden und nicht durch Corona einen Schaden für die weitere berufliche Laufbahn erleiden.

Ab wann wird Kurzarbeitergeld bezahlt?

Das Kurzarbeitergeld wird ab dem Kalendermonat bezahlt, ab dem bei der Arbeitsagentur die Mitteilung des Unternehmens über den Arbeitsausfall eingegangen ist. Das ist der Grund, warum die Arbeitgeber zum Monatsende auf den Abschluss einer Betriebsvereinbarung drängen und diese teilweise quasi wenige Tage vorher „schnell mal“ dem Betriebsrat zur Unterschrift vorlegen. Wo absehbar ist, dass Kurzarbeit kommt, sollten die Betriebsräte also rechtzeitig selbst die Vorbereitungen treffen, einen Berater hinzuziehen, um nicht kurz vor Ende des Monats mit der Situation überfordert zu werden.

Ihr Autor:

Bernd Spengler | Rechtsanwalt | Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt Bernd Spengler gründete 1997 die Kanzlei Rechtsanwälte Spengler und Kollegen, die bundesweit auf die Vertretung von Arbeitnehmern, Betriebs- und Personalräten sowie Gewerkschaften spezialisiert ist.