Tarifvertragsrecht

09/2007 - Minderung von Sonderleistungen wegen der Beteiligung an einem Streik?

Beteiligt sich ein Arbeitnehmer an einem rechtmäßigen Streik, so führt dies zum sog. Ruhen des Arbeitsverhältnisses. Er verliert für diesen Zeitraum seinen Anspruch auf Arbeitsentgelt. Der Arbeitgeber kann zusätzlich berechtigt sein, tarifliche Sonderleistungen anteilig zu mindern. Ob dem Arbeitgeber eine Minderungsbefugnis zusteht, richtet sich nach den tariflichen Anspruchsvoraussetzungen und Ausschlusstatbeständen.

Der Kläger hatte sich an dem gewerkschaftlich geführten Streik zur Durchsetzung des Manteltarifvertrags für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen (MTV) beteiligt. Der Tarifabschluss kam am 25. Februar 2004 zustande, rückwirkend zum 1. Januar 2003. Außerdem vereinbarten die Tarifvertragsparteien eine „Maßregelungsklausel“, in der es ua. heißt, dass das Arbeitsverhältnis „durch die Arbeitskampfmaßnahme als nicht ruhend gilt“.

Nach dem MTV erhalten die Arbeitnehmer eine Jahresleistung, die „für Zeiten unbezahlter Arbeitsbefreiung“ entsprechend gekürzt wird, sowie bei Urlaubsantritt ein Urlaubsgeld. Der beklagte Verlag hatte beide Leistungen anteilig gekürzt. Das Landesarbeitsgericht hat den beklagten Verlag zur Zahlung der einbehaltenen Beträge verurteilt.

Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat die Revision des beklagten Zeitungsverlags zurückgewiesen. Für Grund und Höhe des Anspruchs auf Urlaubsgeld kommt es nach dem Tarifvertrag nicht darauf an, ob ein Arbeitnehmer an einigen Tagen des Jahres nicht gearbeitet hat. Hinsichtlich der Jahresleistung hat der Senat eine Kürzungsbefugnis nicht ausgeschlossen. Eine streikbedingte Abwesenheit des Arbeitnehmers kann ggf. als anspruchsmindernde „unbezahlte Arbeitsbefreiung“ angesehen werden. Der Kürzung stand im Streitfall die tarifliche Maßregelungsklausel entgegen. Nach ihr ist es dem Arbeitgeber verwehrt, Streiktage wie Ruhenszeiten zu behandeln.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Februar 2007 - 9 AZR 374/06

11/2005 - ERA - Probleme am Anfang einer neuen Ära

Was bedeutet "ERA-Strukturkomponente"?

In der Tarifrunde des Jahres 2002 haben die Tarifvertragsparteien der Metallindustrie in mehreren Tarifbezirken vereinbart, die unterschiedlichen Entgelttarifverträge für Arbeiter und Angestellte zu beseitigen und zu einem gemeinsamen Entgeltrahmenabkommen (ERA) zusammenzuführen. Das ERA darf das bestehende Lohn- und Gehaltsvolumen um 2,79 % übersteigen. Zum Ausgleich für diese Mehrkosten wurde in den Jahren 2002 und 2004 vereinbart, nicht die gesamte Tariferhöhung tabellenwirksam werden zu lassen, sondern einen Teil in Einmalzahlungen zur Auszahlung zu bringen. Diese sog. ERA-Strukturkomponenten betrugen im Jahr 2002 0,9 %, im Jahre 2003 0,5 %. In der Folgezeit hatten die Unternehmen in sog. ERA-Anpassungsfonds Rückstellungen im Volumen der jeweiligen ERA-Strukturkomponente zu bilden.

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte sich ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber arbeitsvertraglich verpflichtet, Gehaltssteigerungen im Tarifgebiet der Metallindustrie Schleswig-Holsteins an die Arbeitnehmer weiterzugeben, soweit es sich nicht um "strukturelle Änderungen" handele. Nachdem der Arbeitgeber die Zahlung der ERA-Strukturkomponente verweigerte, erhob der Arbeitnehmer Zahlungsklage. Diese wurde vom Bundesarbeitsgericht abgewiesen. Die ERA-Strukturkomponenten stellen zwar Tariflohnerhöhungen in Form von Einmalzahlungen dar. Sie beruhen jedoch auf einer strukturellen Änderung des Gehaltstarifvertrags. Sie sind notwendige Schritte zur Einführung des Entgeltrahmenabkommens.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.11.2005 - 5 AZR 351/05

06/2005 - Mitgliederwerbung von Gewerkschaften

Neues zum Grundrecht der Koalitionsfreiheit

Die gewerkschaftliche Mitgliederwerbung ist durch die in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG garantierte Betätigungsfreiheit der Koalitionen geschützt. Dies gilt auch im Verhältnis konkurrierender Gewerkschaften. Eine gewerkschaftliche Mitgliederwerbung ist allerdings unzulässig, wenn sie mit unlauteren Mitteln erfolgt oder auf die Existenzvernichtung der anderen Gewerkschaft gerichtet ist. Diese Grenzen werden nicht dadurch überschritten, dass eine Gewerkschaft mit befristeten Sonderkonditionen um Neumitglieder wirbt.

Der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts wies daher - wie schon die Vorinstanzen - die Klage einer Polizeigewerkschaft ab, mit der einer konkurrierenden Gewerkschaft untersagt werden sollte, Neumitgliedern für das erste Jahr der Mitgliedschaft einen monatlichen Mitgliedsbeitrag von einem Euro anzubieten. Die beklagte Gewerkschaft hatte dies in einer befristeten Aktion im Herbst 2002 getan. Das Angebot dieser Sonderkonditionen für Neumitglieder war weder unlauter, noch zielte es auf die Existenzvernichtung der Klägerin. Die Vergünstigungen wurden nicht etwa nur deren Mitgliedern, sondern auch bislang unorganisierten Arbeitnehmern angeboten.

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Berlin, Urteil vom 28. Januar 2004 – 17 Sa 2255/03

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 31.05.2005 - 1 AZR 141/04

06/2005 - Betriebsübergang: Tarifablösung durch ver.di-Gründung

Der Kläger war bei einem Unternehmen der Druckindustrie als Arbeiter in der Abteilung "Verarbeitung und Versand" beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis, welches kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit - der Kläger gehörte der IG Medien an, das Unternehmen dem Verband der Druckindustrie - den Tarifverträgen für die Druckindustrie unterlag, ging am 1. April 1998 auf Grund rechtsgeschäftlichen Betriebsteilübergangs auf die Beklagte über. Die Beklagte ist kraft Verbandsmitgliedschaft an die Tarifverträge für Kölner Spediteure und Hafenanlieger (Speditionstarifverträge) gebunden, die mit der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossen worden waren.

In einem ersten Rechtsstreit hatten die Parteien darüber gestritten, ob das übergegangene Arbeitsverhältnis den beim Betriebsteilübergang geltenden Tarifverträgen für die Druckindustrie unterlag oder den Speditionstarifverträgen. Das Bundesarbeitsgericht hatte durch Urteil vom 21. Februar 2001 - 4 AZR 18/00 - entschieden, dass sich das Arbeitsverhältnis über den 1. April 1998 hinaus gem. § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB nach den Tarifverträgen für die Druckindustrie richte. Dies gelte nach § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB nur dann nicht, wenn das Arbeitsverhältnis bei dem neuen Arbeitgeber durch "seine" Tarifverträge geregelt sei. Das setze auch die Tarifgebundenheit des übernommenen Arbeitnehmers an diese Tarifverträge voraus. Diese war nicht gegeben; der Kläger war nicht Mitglied der Gewerkschaft ÖTV. Die Beklagte behandelte den Kläger daraufhin zunächst wieder nach den Tarifverträgen für die Druckindustrie.

Seit Gründung der Gewerkschaft ver.di - durch Verschmelzung ua. der IG Medien und der Gewerkschaft ÖTV - Mitte 2001 wendet die Beklagte auf das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger wieder die Speditionstarifverträge an. Dieser erstrebt nunmehr erneut die Feststellung, dass für das Arbeitsverhältnis weiter die – günstigeren - Tarifverträge für die Druckindustrie maßgebend sind. Das Arbeitsgericht hat die Klage, soweit sie Gegenstand der Revision ist, abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers blieb erfolglos.

Auch die Revision des Klägers hatte keinen Erfolg. Seit der Gründung der Gewerkschaft ver.di Mitte 2001 ist auch der Kläger als deren Mitglied an die Speditionstarifverträge gebunden. Denn mit der Errichtung der Gewerkschaft ver.di sind die vormaligen Gewerkschaften IG Medien und ÖTV untergegangen. Tarifvertragspartei der von der Gewerkschaft ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge ist nun die Gewerkschaft ver.di. Sie vermittelt für ihre Mitglieder die Tarifgebundenheit an die von der von der früheren Gewerkschaft ÖTV abgeschlossenen Tarifverträge. Damit besteht seitdem die von § 613a Abs. 1 Satz 3 BGB vorausgesetzte Tarifgebundenheit beider Parteien an die Speditionstarifverträge. Die Ablösung der bisher nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB weitergeltenden Tarifverträge nach dieser Vorschrift findet auch bei einer nach dem Betriebsübergang erstmals begründeten beiderseitigen Tarifgebundenheit an die "neuen" Tarifverträge statt. Eine Zeitgrenze hierfür sieht das Gesetz nicht vor. Die Satzung der Gewerkschaft ver.di trifft für diesen Fall keine abweichende Regelung. Über die Anwendbarkeit der Tarifverträge für die Druckindustrie kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung war vom Bundesarbeitsgericht nicht zu entscheiden. Dieser Streitgegenstand ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden.

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 1. April 2004 - 10 Sa 1228/02

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.05.2005 - 4 AZR 315/04

04/2005 - Dynamische Tarifanwendung kraft Vertrages zu Gunsten Dritter bei Betriebsübergang

Das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der tarifgebundenen Rechtsvorgängerin der Beklagten, einem Landkreis, richtete sich auf Grund der Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag nach dem BAT/VKA und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen. Der Beschäftigungsbetrieb, das Kreiskrankenhaus, ging am 1. August 1998 im Wege eines Betriebsübergangs auf die nicht tarifgebundene Beklagte über. Vorangegangen waren Verhandlungen zwischen der Beklagten, dem Landkreis und dem zuständigen Personalrat über eine Änderung des notariellen Kaufangebots der Beklagten hinsichtlich der nach dem Betriebsübergang anwendbaren Tarifverträge. In diesem Kaufangebot hatte die Beklagte, was die künftige Vergütungsstruktur im übernommenen Betrieb angeht, den Arbeitnehmern das Recht eingeräumt, die Vergütungstarife des öffentlichen Dienstes beizubehalten oder statt dessen eines von zwei anderen Vergütungssystemen zu wählen. In der endgültigen notariellen Vereinbarung vom 31. Juli 1998 wurde hinsichtlich der Tarifwerke für den öffentlichen Dienst klargestellt, "dass die für den Landkreis am Stichtag geltenden Tarifverträge (BAT-Kommunal, BMT-G II) sowie die diese ergänzenden und ersetzenden Tarifverträge anzuwenden sind". Die Beklagte hat die beiden nachfolgenden Tarifgehaltserhöhungen weitergegeben, nicht aber die Tariferhöhung zum 1. Januar 2003.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin für sich die Umsetzung dieser Tariferhöhung. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision der Beklagten vor dem Bundesarbeitsgericht hatte keinen Erfolg. Der notarielle Klinikkaufvertrag enthält einen Vertrag zu Gunsten der im übernommenen Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, wonach ihnen die weitere dynamische Anwendbarkeit auch der Vergütungstarifverträge für den öffentlichen Dienst zugesichert wird. Diese Regelung ist trotz der Möglichkeit der tarifvertraglichen Verschlechterung von Arbeitsbedingungen in der Zukunft kein unzulässiger Vertrag zu Lasten der Arbeitnehmer. Dies gilt im vorliegenden Fall schon deshalb, weil den betreffenden Arbeitnehmern das Wahlrecht eingeräumt worden ist, anstelle der Tarifverträge für den öffentlichen Dienst eine bestimmte andere Vergütungsordnung zu wählen.

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz vom 6. April 2004 – 5 Sa 2048/03 -

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.04.2005 - 4 AZR 292/04

12/2004 - Keine Gleichstellungsabrede ohne Tarifgebundenheit des Arbeitgebers

In dem Arbeitsvertrag des Klägers vom 30. Mai 1991 mit der am 27. Mai 1991 gegründeten Beklagten ist die Anwendung der Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie in Berlin und Brandenburg (Tarifgebiet II) in der jeweils gültigen Fassung vereinbart worden. Die Beklagte gehörte dem damaligen Mannesmann-Konzern an. Dessen Unternehmen waren ebenso wie die Konzernobergesellschaft sämtlich Mitglieder der jeweiligen Arbeitgeberverbände. Am 1. Januar 1992 trat die Beklagte dem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie Berlin und Brandenburg bei. Sie gehörte diesem bis zum 31. Dezember 2001 an. Nach ihrem Verbandsaustritt gab sie die mit Wirkung vom 1. Juni 2002 für ihr Tarifgebiet vereinbarte Tariferhöhung nicht an den Kläger weiter. Dieser begehrt mit seiner Klage die Tariferhöhung für die Monate Juni bis September 2002.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers hatte vor dem Vierten Senat Erfolg. Die Bezugnahmeklausel ist keine Gleichstellungsabrede, bei welcher die dynamische Teilhabe des Arbeitnehmers an der Tarifentwicklung auf die Dauer der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers begrenzt ist. Eine Gleichstellungsabrede setzt die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers im Zeitpunkt der Vereinbarung der dynamischen Bezugnahme auf die einschlägigen Tarifverträge zwingend voraus. Weder die Gründungssituation der Beklagten noch die durchgängige Tarifgebundenheit der Unternehmen des damaligen Mannesmann-Konzerns machen die Erfüllung dieser Voraussetzung entbehrlich.

Vorinstanz: LAG Brandenburg, Urteil vom 7. Mai 2003 - 7 Sa 61/03 -

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.12.2004 - 4 AZR 50/04

12/2004 - Austritt aus Arbeitgeberverband

Zur Kündigungsfrist für den Arbeitgeber

Die beklagte Arbeitgeberin gehörte dem Arbeitgeberverband der Chemischen Industrie Saarland e.V. seit 1980 an. Dessen Satzung bestimmt eine Frist von sechs Monaten zum Jahresschluss für die Beendigung der Mitgliedschaft. Mit Schreiben vom 25. Oktober 1999 kündigte die Beklagte ihre Mitgliedschaft "zum nächst möglichen Zeitpunkt". Darauf hin teilte der Arbeitgeberverband mit, dieser Termin sei nach der Satzung der 31. Dezember 2000.

Die Klägerin ist eine tarifgebundene Arbeitnehmerin der Beklagten. Sie verlangte von ihr die Weitergabe einer am 15. Mai 2000 vereinbarten und zum 1. August 2000 in Kraft getretenen Tariflohnerhöhung. Das hat die Beklagte abgelehnt. Sie sei nicht mehr tarifgebunden gewesen. Ihre Verbandsmitgliedschaft sei bereits zum 30. April 2000 durch Kündigung beendet worden. Eine über sechs Monate hinausgehende Kündigungsfrist könne durch Verbandssatzung nicht wirksam bestimmt werden. Das verletze ihr Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG.

Das Landesarbeitsgericht hat der Entgeltklage stattgegeben. Die Revision der Beklagten hatte vor dem Vierten Senat keinen Erfolg. Die Beklagte hat die Kündigung ihrer Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband zum 31. Dezember 2000 erklärt. Das folgt aus dem Kündigungsschreiben, wie es der Arbeitgeberverband verstehen konnte und durfte. Einen Vorbehalt hinsichtlich der Wirksamkeit der Satzungsbestimmung hatte die Beklagte nicht geäußert. An diesem Austrittszeitpunkt muss sie sich im Streit über die Dauer ihrer Tarifgebundenheit ihren Arbeitnehmern gegenüber festhalten lassen. Ob eine Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit aufgrund einer satzungsrechtlichen Kündigungsbeschränkung vorliegt, hatte der Senat nicht zu entscheiden.

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Saarland , Urteil vom 22. Oktober 2002 - 2 Sa 52/03

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 01.12.2004 - 4 AZR 55/04

04/2004 - BAT-Ortszuschlag auch bei „Eingetragener Lebenspartnerschaft“?

Zu den Rechtswirkungen des neuen Familienstandes

Der Kläger ist seit Januar 2001 bei der Beklagten beschäftigt. Für das Arbeitsverhältnis gilt der Bundes-Angestelltentarifvertrag. Nach diesem Tarifvertrag besteht die Vergütung eines Angestellten aus der Grundvergütung und dem Ortszuschlag. Der Ortszuschlag verfolgt den Zweck, die mit einem bestimmten Familienstand typischerweise verbundenen finanziellen Belastungen auszugleichen. Seine Höhe richtet sich nach den Familienverhältnissen des Angestellten. Ledige und geschiedene Angestellte erhalten den Ortszuschlag der Stufe 1. Verheirateten, verwitweten und geschiedenen Angestellten, die aus der früheren Ehe unterhaltsverpflichtet sind, steht der höhere Ortszuschlag der Stufe 2 zu.

Im Oktober 2001 begründete der Kläger mit einer Person gleichen Geschlechts eine Lebenspartnerschaft nach dem am 1. August 2001 in Kraft getretenen Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (LPartG). Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nunmehr könne er wie ein verheirateter Angestellter den höheren Ortszuschlag beanspruchen. Seine darauf gerichtete Zahlungsklage haben die Vorinstanzen abgewiesen.

Die Revision des Klägers hatte vor dem Sechsten Senat des Bundesarbeitsgerichts Erfolg. Das durch das LPartG geschaffene Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft begründet einen neuen Familienstand. Die damit verbundenen Unterhaltspflichten entsprechen denen der Ehe. Wie die Ehe ist eine Lebenspartnerschaft eine exklusive, auf Dauer angelegte und durch staatlichen Akt begründete Verantwortungsgemeinschaft, deren vorzeitige Auflösung einer gerichtlichen Entscheidung bedarf. Die Lebenspartnerschaft erfüllt alle Merkmale, an die der Tarifvertrag typisierend den Bezug eines höheren familienstandsbezogenen Vergütungsbestandteils anknüpft. Dieser Familienstand ist im Stufensystem des Ortszuschlags nicht berücksichtigt. Mit dem Rechtsinstitut der Lebenspartnerschaft und deren familienrechtlicher Ausgestaltung durch das LPartG ist die Tarifnorm nachträglich lückenhaft geworden. Die Lebenspartnerschaft ist zwar keine Ehe. Gleichwohl kann die Tariflücke entsprechend dem Regelungskonzept und dem mit der Gewährung des Ortszuschlags verbundenen Zweck systemkonform nur durch die Gleichstellung von Angestellten, die eine Lebenspartnerschaft eingegangen sind, mit verheirateten geschlossen werden.

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Düsseldorf , Urteil vom 5. Dezember 2002 - 11 Sa 933/02

Quelle: www.bundesarbeitsgericht.de

BAG, Beschluß vom 29.04.2004 - 6 AZR 101/03